„Wer in ein Wespennest sticht, muss richtig zugreifen“: Der Asylkurs von Friedrich Merz sorgt in der CDU für heftige Diskussionen – und ein Ministerpräsident schert aus.
Friedrich Merz kann nicht mehr zurück, er will nicht mehr zurück. Er brauche jetzt „die Freiheit, Entscheidungen zu treffen“, sagte der Kanzlerkandidat der Union Teilnehmern zufolge auf einer internen Sitzung des CDU-Bundesvorstandes am Montagmorgen. Es brauche für den Wahlerfolg jetzt die „absolute Geschlossenheit“ der Partei, mahnte Merz. Die Dramatik, mit der er seinen neuen Asylkurs unterlegt, zeigt, wie heikel die Lage für die Union ist.
Dem Fünf-Punkte-Plan des Kanzlerkandidaten, seiner harten Asyl-Rhetorik sollen nun Taten folgen. Es bleibt deshalb nicht bei den symbolischen Asyl-Anträgen der Union im Parlament. Der Fraktionsvorstand der Union hat sich am Montag nach stern-Informationen hinter den Vorschlag ihres Vorsitzenden gestellt, auch noch das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz der Union im Bundestag zur Abstimmung zu stellen. Und zwar noch am Freitag dieser Woche. „Wer in ein Wespennest sticht, muss richtig zugreifen“, sagte Merz dem Vernehmen nach in der Sitzung.
Das Manöver ist aus Unionssicht nötig geworden, weil die AfD angekündigt hatte, das von der Union vorgeschlagene Gesetz sonst selbst zur Abstimmung zu stellen. Dann hätte die Union gegen das eigene Regelwerk stimmen müssen. Merz‘ Knallhartkurs wäre als reine Rhetorik entlarvt gewesen. Wenn sich eine Mehrheit dafür im zuständigen Ausschuss und dann auch im Plenum findet, kann das Gesetz wohl schon in dieser Woche verabschiedet werden, weil eine erste Befassung damit bereits im September stattgefunden hatte.
Zusammen mit der AfD, der FDP und dem BSW verfügt die Union im Bundestag über eine rechnerische Mehrheit, so schillernd sie auch sein mag. Alle drei Parteien haben inzwischen angekündigt, für die Asyl-Anträge der Union zustimmen. Ob sie letztlich auch für das Zustrombegrenzungsgesetz stimmen, ist noch offen. Es wird in der Union aber für möglich bis wahrscheinlich gehalten. Damit könnte am Freitag erstmals im Deutschen Bundestag eine Asylverschärfung nur mithilfe der AfD eine Mehrheit finden.
Wie sollen kurzfristig neue Haftplätze geschaffen werden?
Die Regierung wäre an den Parlamentsbeschluss gebunden. Mit dem Gesetz würde eine Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär schutzberechtigte Flüchtlinge in Kraft treten. Außerdem würden die Befugnisse der Bundespolizei bei Abschiebungen deutlich ausgeweitet werden. Zudem soll im Aufenthaltsgesetz wieder ausdrücklich die Begrenzung der Migration als Ziel angeführt werden. Das hatte die Ampel-Koalition aus dem Gesetz entfernt.
Vor allem in den unionsgeführten Ländern halten viele den Kurs von Merz für ein großes und vor allem unnötiges Wagnis, selbst das Wort „Harakiri“ fällt. Die Union mache mit ihren Asyl-Anträgen konkrete Versprechungen, deren rechtliche und praktische Umsetzbarkeit zumindest zweifelhaft sei. Auch in einer Präsidiumssitzung am Montagmorgen wurde das von Ländervertretern kritisiert. Wie etwa sollen kurzfristig Haftplätze geschaffen werden für die 40.000 vollziehbar Ausreisepflichtigen?
SPD und das Merz-Manöver 16.44
Ein Ministerpräsident stellte sich gegen Merz: Daniel Günther, der Regierungschef von Schleswig-Holstein. Günther lobte Merz zwar für dessen klaren Kurs, auch für die Inhalte seines Fünf-Punkte-Plans zum Asyl. Er soll nach stern-Informationen aber auch klargemacht haben, dass er einem mit Stimmen der AfD verabschiedeten Gesetz im Bundesrat nicht zustimmen werde. Manche in der Runde verstanden das als Mahnung mit Blick auf seinen grünen Koalitionspartner, andere als direkte Kritik am Vorgehen von Friedrich Merz.
Günthers Einspruch könnte schnell relevant werden: Auch die im Zustromsbegrenzungsgesetz geplanten Änderungen am Asylgesetz müssten wohl durch den Bundesrat bestätigt werden. Günther könnte dem Gesetz dort, sollte es am Freitag wirklich mit Stimmen der AfD beschlossen werden, die Unterstützung versagen. Und auch in der Bundestagsfraktion gibt es Bedenken. „Table Media“ berichtet über ein Treffen von 22 Unionsabgeordneten am Sonntag. Dort habe es „einhellige Kritik“ an Merz‘ riskantem AfD-Manöver gegeben.
Emotionale Debatte hinter verschlossenen Türen
Der Vorstand der Fraktion steht hinter Merz. Mögliche Bedenken im Bundesrat sollen noch zerstreut werden, heißt es, ohne dass der Name Günther erwähnt wird. Die Vorstandsmitglieder Tino Sorge aus Magdeburg und Andrea Lindholz aus Aschaffenburg sollen in der Sitzung des Fraktionsvorstandes am Montag emotional und leidenschaftlichen von den Folgen der Anschläge in ihren Wahlkreisen berichtet haben. Die Stimmung unter den Anwesenden: es reicht. Kritik kam Teilnehmern zufolge von der Thüringer Abgeordneten Antje Tillmann. Sie warnte vor den Folgen einer Mehrheit mit der AfD, kündigte aber an, dem Gesetz am Freitag zuzustimmen.
Anträge CDU Friedrich Merz 15.20
Andere Abgeordnete warnten eindringlich davor, jetzt untätig zu bleiben. Es gehe um den Schutz der Menschen im Land vor Kriminellen. Die Behörden seien völlig überlastet. Die Menschen im Land würden Entscheidungen erwarten. Friedrich Merz brachte es am Montagvormittag auf einer Pressekonferenz nach der Sitzung des Bundesvorstandes auf den Satz: „Der Zeitpunkt ist jetzt überschritten, wo wir in Deutschland nur noch nach taktischen Gesichtspunkten Entscheidungen treffen.“ Bei vielen Abgeordneten trifft er damit einen Nerv. „Friedrich Merz zeigt das, was Deutschland dringend braucht: Leadership. Mit seinem konsequenten Handeln stärkt Friedrich Merz die politische Mitte“, sagt der Hamburger Abgeordnete Christoph Ploß.
In der Union rumort es vor allem unter der Oberfläche. Wer sich jetzt öffentlich mit Kritik vorwagt, kann den gesamten Wahlkampf zerstören. Jens Spahn war es, der in der Bundesvorstandssitzung dem Vernehmen nach am deutlichsten Partei für Friedrich Merz ergriff. „Wahlkämpfer haben immer recht!“, wird er zitiert.