Nach der Bereitstellung von 35 Millionen Euro für Betroffene von sexuellem Missbrauch will die Stadt die Fälle nun wissenschaftlich aufarbeiten. Gab es pädophile Netzwerke?
Gab es in der Vergangenheit pädophile Netzwerke im Münchner Jugendamt? Dieser Frage geht die Stadt mit einem wissenschaftlichen Forschungsprojekt nach, das Missbrauchsfälle in Heimen, Pflege- und Adoptivfamilien systematisch aufarbeiten soll.
Es gebe „Hinweise auf die Arbeit von Netzwerken“, sagt die Direktorin des projektleitenden Deutschen Jugendinstituts (DJI), Sabine Walper – und darauf, dass auch Mitarbeiter des Jugendamtes „untereinander kooperiert“ hätten. Untersucht werden Fälle zwischen 1945 und 1990, in denen Minderjährige vom Münchner Jugendamt in Heimen oder Familien untergebracht wurden.
35 Millionen Euro vom Stadtrat
Die bisherigen Informationen stützen sich auf die Aussagen von Betroffenen, die sich seit 2021 bei der eigens dafür eingerichteten Anlaufstelle beim Münchner Kinderschutz gemeldet haben. 210 Anträge auf Soforthilfen oder Anerkennungsleistungen sind dort bislang eingegangen. Wie Sozialreferentin Dorothee Schiwy (SPD) mitteilte, wurden bislang 4,3 Millionen Euro an Soforthilfen ausgezahlt und 930.000 Euro an Anerkennungsleistungen. 35 Millionen hat der Stadtrat für die Anerkennungsleistungen insgesamt bereitgestellt.
München ist die erste Kommune in Deutschland, die sich die systematische Aufarbeitung von Missbrauchsfällen und die Unterstützung Betroffener auf die Fahnen geschrieben hat und Millionen dafür zur Verfügung stellt. „Das Vorgehen der Stadt München bei der Aufarbeitung der Heimerziehung ist beispielhaft“, sagte der Sprecher der Betroffeneninitiative „Eckiger Tisch“, Matthias Katsch. „Auch wenn es spät kommt – für manche Betroffene sogar zu spät. Denn: Die meisten Opfer der Heimerziehung in Deutschland sind bereits im Rentenalter.“ Er bekräftigte seine Forderung nach mehr politischer Unterstützung für die Aufarbeitung – und forderte einen Staatsakt im Parlament für die Betroffenen.