Die Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD sind zu einem erfolgreichen Abschluss gekommen. Nächste Woche könnten die Koalitionsverhandlungen beginnen.

Knapp zwei Wochen nach der Bundestagswahl haben sich die Spitzen von Union und SPD in den zentralen Streitfragen geeinigt und wollen nun konkrete Koalitionsverhandlungen über eine Regierungsbildung aufnehmen. Man habe „in einer ganzen Reihe von Sachfragen Einigkeit erzielt“, sagte Unions-Fraktionschef Friedrich Merz nach der entscheidenden Beratungsrunde in Berlin. Um diese Punkte geht es im Detail:

Staatsangehörigkeitsrecht: Das von der Ampel-Koalition reformierte Staatsangehörigkeitsrecht soll weiter Bestand haben. Die verkürzten Wartefristen für eine Einbürgerung und den Doppelpass für Nicht-EU-Bürger sollen bleiben. Zurückweisungen: An den Landgrenzen sollen künftig auch Menschen zurückgewiesen werden, die ein Asylgesuch stellen – allerdings nur in Abstimmung mit den Nachbarstaaten. Möglich sind Zurückweisungen grundsätzlich nur da, wo es stationäre Grenzkontrollen gibt. Die hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zwar in den vergangenen Jahren sukzessive für alle deutschen Landgrenzen angeordnet – wer einen Asylantrag stellen will, darf aber in der Regel einreisen.Steuerreform: Die „breite Mittelschicht“ soll laut Sondierungspapier entlastet werden. Geplant ist eine Reform der Einkommensteuer. Außerdem soll die Pendlerpauschale in der Steuererklärung erhöht werden.Bürgergeld: Das Bürgergeldsystem soll überarbeitet werden. „Wir werden das bisherige Bürgergeldsystem neu gestalten, hin zu einer Grundsicherung für Arbeitssuchende“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz. „Für Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen.“Gastronomie: Die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie soll dauerhaft auf 7 Prozent sinken. Die Mehrwertsteuer in der Gastronomie war bereits in der Corona-Zeit von 19 auf 7 Prozent gesenkt worden, allerdings nur vorübergehend.Stromsteuer: Zur Entlastung von Unternehmen und privaten Haushalten soll die Stromsteuer auf den in der EU erlaubten Mindestwert sinken. Das soll zu Entlastungen um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde führen. Union und SPD wollen daneben die Übertragungsnetzentgelte halbieren, ein Bestandteil des Strompreises. E-Autos: Um die schleppende Nachfrage nach Elektroautos wieder stärker anzukurbeln, planen Union und SPD wieder „einen Kaufanreiz“. Eine bestehende Kaufprämie war Ende 2023 wegen Haushaltsnöten von der Ampel-Koalition abrupt gestoppt worden, danach sackte die Nachfrage spürbar ab.Landwirtschaft: Das von der Ampel-Koalition beschlossene Aus für Agrardiesel-Vergünstigungen für Bauern soll gekippt werden.Nahverkehr: Das beliebte Deutschlandticket für Busse und Bahnen kommt in den Koalitionsverhandlungen auf den Tisch – über die Fortsetzung über das Jahresende hinaus soll beraten werden.Rente: Wer in der Rente noch freiwillig weiterarbeitet, soll bis zu 2000 Euro im Monat steuerfrei dazuverdienen können. Die sogenannte Mütterrente soll ausgeweitet werden: Auch für vor 1992 geborene Kinder sollen drei statt wie bisher maximal zweieinhalb Erziehungsjahre bei der Rente angerechnet werden.Pflege: Angesichts immer weiter steigender Milliardenkosten wollen Union und SPD „eine große Pflegereform“ auf den Weg bringen.

Auch SPD-Chef Lars Klingbeil sprach von „konstruktiven“ Gesprächen. Union und SPD hätten gezeigt, dass sie Verantwortung übernehmen. „Uns ist ein erster wichtiger Schritt jetzt mit diesem Sondierungspapier gelungen.“ CSU-Chef Markus Söder sagte, es gebe keine Gewinner und Verlierer der Gespräche, sondern neue Partner. Zur Frage, ob er zufrieden sei, sagte er: „Basst scho.“

Gibt es bis Ostern eine Koalition?

Wenn die Parteigremien zustimmen, kann die Arbeit am Koalitionsvertrag beginnen. Darin halten die Parteien fest, welche Projekte sie in der Legislaturperiode zusammen anpacken wollen – und auch, welche Partei welches Ministerium besetzt. Der voraussichtlich künftige Kanzler Friedrich Merz hat das Ziel ausgegeben, bis Ostern mit den Verhandlungen durch zu sein.

Die Union hatte die Bundestagswahl am 23. Februar mit 28,5 Prozent deutlich gewonnen. Die SPD landete mit 16,4 Prozent hinter der AfD (20,8 Prozent). Eine Alternative zur schwarz-roten Koalition gibt es nicht, weil Schwarz-Grün keine Mehrheit hat und eine Zusammenarbeit mit der AfD von der Union klar ausgeschlossen wird.

Die Sondierungen zwischen Union und SPD hatten Ende vergangener Woche begonnen. In den zentralen Finanzfragen haben die Sondierer mit der Lockerung der Schuldenbremse und einem gigantischen Sondervermögen für Infrastruktur bereits am Dienstag einen Durchbruch erzielt. Die Union kam der SPD dabei sehr weit entgegen und warf dafür sogar Wahlkampfversprechen über den Haufen. In der Union hoffte man dafür auf ein Entgegenkommen der SPD beim Hauptstreitpunkt Migration. Den hat es jetzt vor allem beim Thema Migration gegeben.

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