Die Erleichterung dürfte groß sein: Nach tagelangem Ringen haben sich Union, SPD und die Grünen auf ein milliardenschweres Finanzpaket geeinigt. Der Überblick.
Die Fraktionsspitzen von Union, SPD und Grüne haben sich nach langen Diskussionen geeinigt: Das milliardenschwere Paket für Verteidigung und Infrastruktur soll kommen. Damit hat die mögliche nächste Regierung aus Union und SPD eine wichtige Hürde genommen. Doch abgesichert wird das Geld erst in der kommenden Woche.
Wird die Schuldenbremse ausgesetzt?
Teilweise. Verteidigungsausgaben von mehr als einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) werden künftig von der Schuldenbremse ausgenommen. Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) erläuterte nach der Einigung am Freitag, damit fielen nach aktuellem Stand nur noch rund 45 Milliarden Euro unter die Verschuldungsregeln im Grundgesetz. Alles darüber hinaus aber nicht.
Die Grünen konnten in den Verhandlungen mit SPD und Grünen eine Erweiterung des Begriffs der Verteidigungsausgaben aushandeln. Darunter fallen laut Merz nun auch Mittel für Zivil- und Bevölkerungsschutz, Nachrichtendienste und die Unterstützung von völkerrechtswidrig angegriffenen Staaten. Nicht durchsetzen konnten sich die Grünen mit der Forderung, die Schwelle für die Ausnahme von der Schuldenbremse von einem auf 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung hochzusetzen.
Dürfen die Bundesländer bald Schulden aufnehmen?
Anders als der Bund dürfen die Länder nach der Schuldenbremse bisher überhaupt keine Kredite aufnehmen. Sie sollen gleichfalls die Möglichkeit bekommen, jedes Jahr bis zu 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung an Schulden aufzunehmen. „Das sind für alle Länder zusammen zur Zeit ungefähr 16 Milliarden Euro“, sagte Merz. Die Frage war in den Verhandlungen mit den Grünen, die in einer Reihe von Länderregierungen vertreten sind, unstrittig.
Was passiert mit dem geplanten Sondervermögen für die Infrastruktur?
Wie von Union und SPD geplant, soll es ein Sondervermögen für Investitionen in Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro geben. Es soll über zwölf Jahre laufen – was im Schnitt gut 41 Milliarden Euro pro Jahr ergibt. Die Grünen konnten hier zwei Zugeständnisse erreichen: Alle Investitionen müssen demnach zusätzlich erfolgen. Die Grünen hatten vorher befürchtet, dass Union und SPD das Geld nutzen könnten, um Ausgaben auszulagern und so im Kernhaushalt Platz zu machen für Wahlgeschenke wie die Mütterrente oder geringere Steuern für die Gastronomie.
Darüber hinaus erhielten die Grünen von Union und SPD die Zusicherung, dass 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) fließen. Aus dem KTF wird insbesondere der klimafreundliche Umbau der deutschen Wirtschaft gefördert. Merz hatte den Grünen am Donnerstag zunächst nur „bis zu 50 Milliarden Euro“ für den KTF angeboten. Nach der Einigung mit den Grünen sagte Merz in der Unionsfraktionssitzung, die Verhandlungen mit den Grünen über das Sondervermögen seien „der härteste Brocken“ gewesen.
Was ist mit dem geplanten Geld für die Ukraine?
Merz sagte, er gehe davon aus, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nun auch die bereits lange geforderten zusätzlichen Rüstungshilfen von drei Milliarden Euro für die von Russland angegriffene Ukraine freigeben werde. Es habe entsprechende Signale aus dem Kanzleramt gegeben. Um dieses Hilfspaket und die Frage, wie es finanziert werden sollte, hatte es vor der Bundestagswahl lange Auseinandersetzungen gegeben.
Wo käme das Geld her – und wer muss zahlen?
Der Staat besorgt sich frisches Geld, indem er Anleihen auf dem Kapitalmarkt ausgibt. Mit dem Kauf einer Staatsanleihe leiht ein Anleger dem Staat Geld und bekommt dafür Zinsen. Auf lange Sicht muss der Kredit zwar getilgt werden – anders als bei Privatleuten kann man das aber weit in die Zukunft verschieben. So lange muss der Staat aus seinen Haushalten Zinsen zahlen.
Konsequenzen könnten die Pläne jetzt schon zum Beispiel für Hausbauer haben. Direkt nach der Ankündigung stiegen die Bauzinsen – das hängt mit der Rendite von Bundesanleihen zusammen. Ob der Effekt dauerhaft anhält, lässt sich nicht seriös vorhersagen.
Wie bewerten Union, SPD und Grüne das Ergebnis?
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge sagte, sie und ihre Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann hätten es in den Verhandlungen mit CDU, CSU und SPD geschafft, „dass das Geld in die richtige Richtung gelenkt wird“. Unionsfraktionschef Merz äußerte sich zufrieden mit dem Ausgehandelten. SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil erwartet nun einen „kraftvollen Anschub für Deutschland“. Das Paket werde das Land für Jahre, wenn nicht Jahrzehnte nach vorne bringen.
Doch den beiden möglichen Koalitionspartnern, Union und SPD, stehen auch schwierige Gespräche ins Haus. Denn dadurch, dass das Infrastruktur-Geld in zusätzliche Vorhaben fließen muss, müssen sie für alles andere Geld im normalen Haushalt finden – und wahrscheinlich an einigen Stellen einsparen. Das auszuhandeln, wird nicht einfach sein.
Wie reagieren AfD und Linke?
AfD und Linkspartei haben die Einigung scharf kritisiert. „100 Milliarden Euro aus dem Schuldenpaket werden für klimaideologische Projekte verbrannt“, schrieb AfD-Chefin Alice Weidel am Freitag bei X. Dafür, dass CDU-Chef Friedrich Merz Kanzler werden könne, „müssen Generationen teuer bezahlen“.
Die Parteichefin der Linken, Ines Schwerdtner, sagte wiederum, der Kompromiss helfe vor allem der AfD. Nun werde ein zentraler Fehler der Ampel-Regierung wiederholt, „nämlich Klimaschutz und Aufrüstung ohne sozialen Ausgleich“, sagte sie den Funke-Zeitungen. „Das wird scheitern und noch mehr Menschen in die Arme der AfD treiben.“ Schwerdtner rief die Abgeordneten der Grünen dazu auf, dem Kompromiss nicht zuzustimmen. „Noch ist es nicht zu spät“, sagte sie.
Wie geht es mit dem Finanzpaket nun weiter?
Die Grundgesetzänderungen sollen laut Merz am Dienstag vom Bundestag beschlossen werden. Die Mehrheiten dafür sind aber weniger sicher als sonst, weil viele Abgeordnete aus Union, SPD und Grünen aus dem Bundestag ausscheiden und sich deshalb weniger an die übliche Fraktionsdisziplin gebunden fühlen könnten.
Im neuen Parlament, das sich am 25. März konstituiert, haben Union, SPD und Grüne nicht mehr die nötige Zweidrittelmehrheit. Deshalb drängte die Zeit, um das Finanzpaket noch mit dem alten Bundestag zu verabschieden.
Am Freitag könnte dann der Bundesrat entscheiden – auch hier ist eine Zweidrittelmehrheit nötig für einen Beschluss. Diese ist ebenfalls noch nicht sicher, da Länder nur dann zustimmen können, wenn ihre Regierungskoalitionen eine gemeinsame Linie gefunden haben.