Im Digitalzeitalter hapert es in Deutschland beim Mobilfunk mancherorts noch immer. Gutes Netz? Fehlanzeige, heißt es in vielen Gegenden oder entlang von Straßen. Eine Behörde macht nun Druck.

Die Bundesnetzagentur möchte den Ausbau der Handynetze ankurbeln. Der mit Politikern besetzte Beirat der Regulierungsbehörde trifft sich heute, um einen Vorschriften-Katalog für den Netzausbau zu besprechen. Noch am Montag oder in den kommenden Tagen könnte das Regelwerk beschlossen werden. Darin wird die Behörde strengere Vorgaben für die Netzbetreiber festlegen. Außerdem verzichtet sie auf die eigentlich sehr lukrative Auktion von Frequenzen.

Die Ausgangslage

Deutschlands Handynetze waren lange ein Ärgernis. Bei der ersten Frequenzauktion im Jahr 2000 hatten die Telekommunikationsfirmen insgesamt rund 50 Milliarden Euro zahlen müssen – im Rückblick war das viel zu viel, danach fehlte den Firmen Geld für Investitionen. Entsprechend langsam ging der Ausbau voran, mancherorts waren die Verbindungen schlecht. Die Netzagentur legte Ausbau-Vorschriften fest, die mehr schlecht als recht eingehalten wurden.

Ab 2020 änderte sich die Situation allmählich, auch Sorgenkind O2 investierte mehr Geld und verbesserte sein Netz. Inzwischen erreicht Branchenprimus Deutsche Telekom 99,6 Prozent der Haushalte mit dem Funkstandard 4G und mehr als 98 Prozent der Haushalte mit 5G. Bezogen auf Deutschlands Fläche erreichte die Telekom im Januar 92 Prozent mit 4G und 84,4 Prozent mit 5G. Die Abdeckung der Konkurrenten O2 und Vodafone ist niedriger. 

Laut Vergleichsportal Verivox rangiert Deutschland beim Mobilfunk im europäischen Mittelfeld. Obwohl nur Mittelmaß, sind die Handytarife hierzulande laut Verivox „deutlich teurer“ als im EU-Schnitt.

Was die Bundesnetzagentur vorschlägt

Nun werden die Auflagen verschärft. Nachdem sich vorherige Ausbaupflichten auf Haushalte bezogen haben, geht es in einer neuen Vorschrift um die Fläche. Das hilft Verbrauchern mehr, schließlich telefonieren sie nicht immer in der Nähe von Häusern. 2030 muss eine Download-Geschwindigkeit von 50 Megabit pro Sekunde auf 99,5 Prozent der Fläche Deutschlands möglich sein. Derzeit sind es gut 2 Prozent der Landesfläche, auf der nicht alle drei Netzbetreiber 50 Megabit ermöglichen. Die letzten Prozente beim Ausbau sind immer die schwierigsten. Gewinner dürften etwa Wandersleute und Mountainbiker sein – auch mitten im Nirgendwo soll es bald relativ guten Mobilfunk geben.

Besser wird es auch für Menschen, die auf dem Land wohnen: Zusätzlich zu der 50 Megabit-Vorgabe möchte die Netzagentur vorschreiben, dass 99 Prozent der Haushalte in dünn besiedelten Gebieten 100 Megabit pro Sekunde im Download bekommen – und zwar schon 2029. In solchen dünn besiedelten Gebieten lebt knapp ein Fünftel der Bevölkerung.

Wer unterwegs ist, sollte auf Bundesstraßen schon jetzt relativ gutes Netz haben. Ende dieses Jahrzehnts müssen Mindestvorgaben auch auf Landstraßen, Staatsstraßen und Kreisstraßen eingehalten werden – und zwar überall. Wer also im Jahr 2030 mit dem Auto durch Deutschland fährt, sollte auf allen Straßen immer eine halbwegs gute Verbindung haben – so die Theorie. 

Hilfreich sind auch schärfere Auflagen für Bundesstraßen: Auf denen muss zwar schon seit Anfang 2025 überall Handynetz verfügbar sein, allerdings bezieht sich diese Vorschrift auf die Branche insgesamt. Das bedeutet: Wenn Anbieter A auf einem Kilometer Netz bietet und auf dem nächsten Kilometer nicht, dafür dort aber Anbieter B funkt, so gilt die Vorschrift als erfüllt – obwohl ein Verbraucher zwischendurch keine Verbindung hat, da er meistens nur ein Handy bei sich hat. Künftig muss jeder etablierte Netzbetreiber durchgängig Netz bieten, also die Telekom, O2 und Vodafone.

Verzicht auf Milliardeneinnahmen

In einem Punkt dürfen sich die alteingesessenen Netzbetreiber über Entlastung freuen. Der Bund verzichtet auf die üblichen Milliardeneinnahmen – anstatt eine Auktion durchzuführen, werden Nutzungsrechte für Frequenzen um fünf Jahre verlängert. Das hat es bisher nur 2006 gegeben, normalerweise macht der Staat bei Auktionen kräftig Kasse. 2019 waren es 6,5 Milliarden Euro gewesen, zu deren Zahlung sich die Netzbetreiber für zwanzigjährige Nutzungsrechte verpflichtet haben. Nun dürften es in dem Verlängerungszeitraum nur etwa 600 Millionen Euro an Gebühren sein.

Für den Neueinsteiger 1&1, der 2019 erstmals eigene Frequenzen ersteigert hat und sich am Auktionstisch weitere Frequenzen sichern wollte, ist diese Verlängerung grundsätzlich eine schlechte Nachricht – die Firma aus Montabaur bleibt außen vor. Mit speziellen Regeln soll aber gewährleistet werden, den daraus entstehenden Nachteil zu minimieren. 

Was sonst noch strittig ist 

Für hitzige Diskussionen sorgte die Frage, wie mit Telekommunikationsanbietern ohne eigenes Handynetz verfahren wird. Freenet und andere kleine Wettbewerber wollen, dass die Netzbetreiber sie auf ihr Netz lassen müssen. Telekom & Co. sind dagegen – sie wollen frei entscheiden, ob sie Untermieter auf ihr Netz nehmen oder nicht. Die Bundesnetzagentur geht einen Mittelweg: Es gibt zwar keine Verpflichtung, aber einfach die kalte Schulter zeigen dürfen die Netzbetreiber den kleinen Konkurrenten auch nicht. Sie müssen über eine Mitnutzung des Netzes verhandeln. Dafür hat die Behörde „Leitplanken für effektive Verhandlungen“ erstellt.

Reaktionen auf die Ausbau-Vorschriften

„Das ist die weitreichendste Entscheidung zur digitalen Infrastruktur in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren“, sagt der Bundestagsabgeordnete Johannes Schätzl (SPD). „Mobilfunk fast überall und an allen Verkehrswegen: Damit kommen die Handynetze endlich im Digitalzeitalter an.“ 50 Megabit pro Sekunde im Download sei für die allermeisten mobilen Anwendungen ausreichend. „Wenn viele Handynutzer in einer Funkzelle sind, geht die Downloadrate zwar rapide runter – aber es geht ja um Gegenden, wo sich üblicherweise wenig Menschen aufhalten, daher reicht das völlig.“ 

O2-Chef Markus Haas wertet die Frequenzverlängerung als „Gamechanger für Deutschland“. „Damit ist die Grundlage für die beste digitale Versorgung für Menschen und Wirtschaft hierzulande gelegt.“