Rein in die Matschhose, raus in die Natur. Was viele Kita-Leitungen sich laut Umfrage wünschen, scheitert oft am Personalmangel. Was muss aus Sicht von Familienministerin und Opposition passieren?
Mit Gummistiefeln raus in den Wald oder in Matschhose zum Bach: Naturerfahrungen für Kita-Kinder sehen die meisten Kita-Leitungen laut einer Umfrage zwar als positiv und wünschenswert an, sie seien aber im Alltag auch in NRW viel zu oft nicht realisierbar. Das geht aus einer Befragung von 519 Leiterinnen und Leitern einer Kindertagesstätte in Nordrhein-Westfalen hervor, die der Verband Bildung und Erziehung (VBE) zu Beginn des Deutschen Kitaleitungskongresses (DKLK) in Düsseldorf vorstellte.
Drei von vier Leitungen sagen demnach, dass Kinder die Natur den Räumen der Kita vorziehen würden. Über die Hälfte der Befragten gab an, dass sie aber weniger als einmal pro Woche mit den Kindern einen Naturraum wie Wald oder Wiese aufsuchen. Um das häufiger anbieten zu können, benötigen demnach 83 Prozent der befragten Kita-Leitungen nach eigenen Angaben mehr Personal.
Schwierige Personallage und zu großen Gruppen werden bemängelt
Wie der „DKLK-Meinungstrend“ weiter ergab, würde jede zweite Kita-Leitung in NRW ihren Beruf nicht weiterempfehlen. Problematisch sei nach wie vor der Fachkräftemangel. Zudem müssten die Gruppen kleiner, der Verwaltungsaufwand geringer und die gesellschaftliche und politische Wertschätzung größer werden, sagten viele Leitungen.
Die Sicht der zuständigen Ministerin in Düsseldorf
Familienministerin Josefine Paul (Grüne) zeigte Verständnis für die Kritik. „Die Beschäftigten erwarten zu Recht, dass wir als Politik hier handeln“, sagte die Grünen-Politikerin der „Rheinischen Post“. Das System Kita sei in den vergangenen zehn Jahren stark gewachsen – auch mit zusätzlichen Betreuungsplätzen und mehr Personal, es reiche aber nicht.
Über alle Ebenen hinweg müssten Bund, Länder und Kommunen daran arbeiten, die Herausforderungen des Fachkräftemangels zu lösen. Das Land werbe aktiv um ausländische Arbeitskräfte und sorge dafür, dass diese mit möglichst wenig bürokratischen Hürden einen Job in der Kita aufnehmen könnten. Es gebe Qualifizierungsprogramme für Quereinsteiger und Möglichkeiten zu einem flexibleren Personaleinsatz in den Einrichtungen.
Immerhin sei das Kita-Personal 2024 um weitere 4.000 Beschäftigte im Vergleich zum Vorjahr gewachsen. Im vergangenen Jahr waren laut Ministerin rund 144.610 Menschen in den Kitas tätig – darunter rund 92.853 Erzieherinnen und 14.236 Kinderpfleger.
Bewegung draußen ist wichtig für ein gesundes Aufwachsen
Die VBE-Landesvorsitzende Anne Deimel sagte, in einer von Digitalisierung geprägten Gesellschaft, in der bereits kleine Kinder viel Zeit mit Handys und Tablets verbrachten, sei Bewegung draußen für die gesunde Entwicklung umso wichtiger. Dennoch reichten die Rahmenbedingungen in den Kitas nicht aus, um den Jungen und Mädchen ausreichend Zeit in der Natur zu ermöglichen, monierte Deimel laut Mitteilung.
Positive Effekte für Kinder ergeben sich der Umfrage zufolge aus Mehrheitssicht der befragten Kita-Leitungen für motorische Fähigkeiten, Gesundheit, Wohlbefinden und das Umweltbewusstsein der Jüngsten. Auch das Personal könne nach Einschätzung vieler Befragter profitieren – etwa durch geringere Lärmbelastung. Natur-Bildung stand diesmal im Fokus der alljährlichen Umfrage.
Dass mehr als 80 Prozent der Leitungen mehr Personal benötigen, um Kindern regelmäßige Natur-Erfahrungen zu ermöglichen, zeige, wie weit Wunsch und Wirklichkeit in der frühkindlichen Bildung auseinanderklafften, betonte die FDP-Landtagsfraktion.
Opposition verlangt vor allem mehr finanzielle Anstrengungen
NRW ringt laut SPD-Landtagsfraktion mit einem Rekord bei Kita-Schließungen und Krankheitsfällen. „Die Träger klagen über Finanzierungslücken und die Zahl der Kita-Plätze geht mittlerweile zurück“, sagte der familienpolitische Sprecher der Oppositionsfraktion, Dennis Maelzer.
NRW brauche „einen neuen Wurf, mit dem die Finanzierung der Einrichtungen auf komplett neue Füße gestellt wird und der die tatsächlichen Kosten der Träger auch abdeckt – unabhängig von gebuchten Zeiten im Vertrag des Kindes.“
Die Auswertung lege eine strukturelle Kita-Krise offen, sagte Marcel Hafke von der FDP-Landtagfraktion. Personalmangel, überlastete Leitungskräfte, zu große Gruppen und eine mangelhafte Fachkraft-Kind-Relation führten zu einem „Teufelskreis im System“.