Die Union lässt ihre Basis nicht über den mit der SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag abstimmen. Eigentlich. Denn die Berliner CDU geht andere Wege.
Die bundesweit beachtete Mitgliederumfrage der Berliner CDU zum Koalitionsvertrag von Union und SPD ist an der Parteibasis auf große Resonanz gestoßen. Nach Angaben von CDU-Landesgeschäftsführer Dirk Reitze beteiligten sich 1.403 der 12.500 Parteimitglieder in der Hauptstadt – ein Rekord bei derartigen Formaten der Landespartei.
Eine Woche lang hatten Parteimitglieder die Möglichkeit, online zwölf Fragen zu dem Regierungsprogramm zu beantworten. Die Frist endete um 16.00 Uhr. Die Auswertung habe begonnen, so Reitze. Das Ergebnis wird voraussichtlich nach Ostern verkündet.
Berliner CDU geht Sonderweg
Weder die Bundespartei mit dem potenziellen neuen Kanzler Friedrich Merz noch andere CDU-Landesverbände befragen die Mitglieder zum Koalitionsvertrag. Die Hauptstadt-CDU hatte ihre Umfrage kurz nach Vorstellung des Vertrages gestartet. Sie schrieb dazu diejenigen Mitglieder an, die per Mail erreichbar sind. In irgendeiner Weise bindend sind die Ergebnisse nicht.
Die Berliner CDU stellte ihren Mitgliedern nicht die Frage, ob sie dem Vertrag zustimmen. Vielmehr wurde vor allem die Meinung zu bestimmten Themen abgefragt: Dazu gehört die noch vom alten Bundestag beschlossene Lockerung der Schuldenbremse, die Verschärfung der Migrationspolitik, die Reform des Bürgergeldes, die Rentenpolitik oder die Fortsetzung des Deutschlandtickets.
Sachfragen und Schulnoten
Bei den meisten Punkten lautete die Frage, ob die Mitglieder das sachgerecht finden. Sie konnten ankreuzen „Ja“, „eher ja“, „eher nein“, „nein“ oder „Ich weiß nicht“. Es gab aber auch einige andere Punkte. So wurde im Hinblick auf die geplante schwarz-rote Koalition gefragt: „Wie ist Ihre Haltung dazu?“ Die Mitglieder konnten auch Schulnoten für den Koalitionsvertrag vergeben.
Innerhalb der CDU-Basis dürfte der Vertrag nicht nur auf Unterstützung stoßen: Er stellt einen Kompromiss mit SPD-Positionen dar, und die Einlösung so mancher Wahlversprechen von CDU-Chef Merz dürfte schwierig werden.
Spitze von Wegner gegen Merz?
Mutmaßungen in Medien, wonach die Mitgliederumfrage als Nadelstich von Berlins CDU-Chef und Regierendem Bürgermeister Kai Wegner gegen Merz zu werten sei, wurden innerhalb der Landespartei zurückgewiesen. Es handele sich um ein seit zehn Jahren bewährtes Instrument der Mitgliederbeteiligung, das drei- oder viermal im Jahr zum Tragen komme.
Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) sagte im RBB-Inforadio, die Mitgliederbefragung sei kein Affront gegenüber der Bundes-CDU, sondern eine seit vielen Jahren geübte Praxis im Landesverband der Partei.
Wegner widersprach Merz
Wegner hatte in der Vergangenheit zu bestimmten Themen auch öffentlich andere Positionen vertreten als Merz. Ein Beispiel ist die Lockerung der Schuldenbremse: Wegner forderte diesen Schritt vehement, Merz lehnte ihn selbst im Wahlkampf noch ab – um dann unmittelbar nach der Bundestagswahl eine Kehrtwende zu vollziehen.
Den schwarz-roten Koalitionsvertrag hatte Wegner in der Vorwoche begrüßt, er setze die richtigen Schwerpunkte: „Wirtschaftliche Vernunft und sicherheitspolitische Konsequenz.“
Bei der SPD haben die Mitglieder das letzte Wort
Bei der SPD stimmen die Mitglieder noch bis zum 29. April über den Koalitionsvertrag mit der Union ab. Die CSU nahm ihn bereits per Vorstandsbeschluss an. Die CDU entscheidet am 28. April auf einem kleinen Parteitag. Berlins CDU stellt hier nach Parteiangaben 4 der 102 Delegierten. Falls alles glattläuft, soll CDU-Chef Merz am 6. Mai im Bundestag zum Kanzler gewählt werden.