Statt mit Osterhasen wirbt Discounter Aldi mit Sitzhasen. Einige Kritiker fürchten den Untergang des Abendlandes. Dabei steckt etwas ganz anderes dahinter.
Sie bringen Kinderaugen zum Leuchten: Wenn die glänzende Folie der Schokohasen zwischen den Grashalmen aufblitzt, kann man bei der Ostereiersuche die Freude der kleinen Sucher fast greifen. Aktuell bewegen sie aber auf andere Art und Weise die Gemüter. Es geht um Kulturkampf, das Ende der christlichen Werte. Oder vielleicht doch nicht?
Stein des Anstoßes sind Prospekte von Aldi und Lidl. Die Discounter haben zum Osterfest jeweils süße Schokohäschen im Angebot, die dort jeweils als „Sitzhase“ beworben werden. Bilder der Prospekte machten dann schnell in den sozialen Medien die Runde – und sorgten dort für Wut. Wie man es eben von den sozialen Medien gewohnt ist.
Sitzhase statt Osterhase
Der krude Vorwurf: Statt die christlichen Feste zu feiern, attackiere eine diffus gemischte Gegnerschaft des Christentums das Abendland und seine Traditionen. „Die schleichende Islamisierung Deutschlands schreitet immer mehr voran, getrieben von den reichsten Familien Deutschlands wie Albrecht und Schwarz“, schimpfte der AfD-Bundestagsabgeordnete Johann Martel beim Kurznachrichtendienst X. „Der #Sitzhase verdrängt den Osterhasen.“
Viele weitere Nutzer stießen bei X, Facebook und Instagram in ein ähnliches Horn. Der Sitzhase wird dort als „woke“, als „Selbstaufgabe unserer Kultur“, als Einknicken vor nicht christlichen Bevölkerungsgruppen gesehen. Die Rechte macht sich mal wieder zum Opfer. Und lässt damit nach bewährtem Muster die Wogen der Empörung hochschlagen.
Was steckt wirklich hinter der Namensänderung?
Dabei könnte die Erklärung banaler kaum sein. Denn der Sitzhase heißt natürlich nicht so, weil die Discounter endlich das leidige Osterfest ausmerzen und die armen Christen im Namen der Milliardärsklasse islamisieren wollen. Warum die Milliardäre das wollen sollten, möchte ich vermutlich ohnehin lieber nicht wissen. Der Hasenname hat schlicht administrative Gründe: „Einige Schokoladenhasen bezeichnet Lidl in Deutschland als Sitzhasen, um eine klare Unterscheidung zwischen den verschiedenen Artikeln zu ermöglichen. Kunden finden im Sortiment auch Produkte, bei denen der Begriff Osterhase verwendet wird“, erklärte Lidl gegenüber mehreren Medien.
Neben dem Sitzhasen verkaufen die Discounter nämlich auch Schokohasen, Stehhasen – aber eben auch „XL Osterhasen“. Sie sind damit auch nicht allein. Bei Milka gibt es schon länger den Schmunzelhasen, Lindt verkauft einen Goldhasen. Vermutlich auch eher nicht, weil die Konzerne ihre wichtige Einnahmequelle Ostern abschaffen wollen. Gegen diese These spricht schon, dass das Osterfest in allen möglichen Promo-Materialien der Konzerne und der Discounter auch weiterhin genauso genannt wird.
Der tatsächliche Grund ist beeindruckend einleuchtend: Die Hasen müssen in den Warensystemen eindeutig benannt sein, um die richtigen bestellen zu können. Und dann ist eine genauere Bezeichnung eben praktischer, als „Osterhase 27b“. Wundern wir uns also lieber nicht, wenn irgendwann noch der Bauchschläferhase, der Linkshänderhase oder die Duckface-Häsin (pink) ins Programm aufgenommen wird.
Hase statt Fuchs
Dass ausgerechnet der Schokohase als Ostertradition zum Symbol des Christentums herhalten muss, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. So wichtig die Auferstehung Christi im christlichen Glauben ist: Ein Hase kommt in der Bibel-Erzählung nicht vor. Erst recht keiner aus Schokolade. Das bedeutet nicht, dass der Brauch keine Tradition hat. Die erste Erwähnung eines Hasen beim Osterfest findet sich nach aktuellem Forschungsstand schon im Jahr 1682 – als nicht näher begründeter Brauch in einigen süddeutschen Regionen. Damals handelte es sich aber um echte Tiere.
Theoretisch hätte sich aber auch ein anderes Tier durchsetzen können: Neben Hasen haben damals nämlich in einigen Gegenden auch Störche, Kuckucke, Hähne oder sogar Füchse Ostereier versteckt. Der Hase setzte sich letztlich durch. Würde ein Schmunzelfuchs wohl heute die gleiche Aufregung auslösen?
Es ist nur eine Phase, Hase
Das Ärgerlichste bei der Empörungswelle ist aber, dass sie eigentlich komplett vorhersehbar war – vor allem für die Rechten selbst. Die vermeintliche Abschaffung des Osterfests ist nämlich nur eine Kopie der seit Jahrzehnten von Rechten in den USA zelebrierten Tradition, vor einem Krieg gegen Weihnachten zu warnen – und dann eben darin die Verschwörung zur Abschaffung des Abendlandes zu vermuten.
Dabei ist selbst die Osterpanik der deutschen Rechten nicht neu. Als Erika Steinbach bei Karstadt einen „Traditionshasen“ erwarb, echauffierte sich die ehemalige CDU-Politikerin darüber – wie soll es anders sein – ausführlich in den sozialen Medien und löste damit in den entsprechenden Kreisen einen Shitstorm aus. Das war 2018, Karstadt ist in der Zwischenzeit mehrfach pleitegegangen: Ein Zusammenhang mit dem Osterboykott ist nicht belegt.
Die Ostertradition an sich wurde bislang aber trotzdem nicht abgeschafft. Darauf erst mal einen Sitzhasen.