Kathrin Linkersdorff zeigt die Anmut des Unvollkommenen. Mit Blüten und Mikrobiologie erschafft sie faszinierende Kunstwerke, die von Leben und Sterben erzählen.
Fragt man Menschen in Japan und Deutschland nach der Bedeutung von Schönheit, bekommt man mitunter sehr unterschiedliche Antworten. Das mag auch daran liegen, dass aus Japan die Wabi-Sabi-Philosophie stammt, ein ästhetisches Konzept, das die Schönheit des Unvollkommenen, des Vergänglichen zelebriert. Damit steht sie im Gegensatz zur oft perfektionistischen, pompösen Vorstellung von Anmut.
Zwei Jahre lebte die Berliner Künstlerin Kathrin Linkersdorff in Japan. Hier kam sie zum ersten Mal in Berührung mit dem Wabi-Sabi-Konzept. Die Idee faszinierte sie – so sehr, dass es zur Grundlage ihrer Kunst wurde. Schon bald begann Linkersdorff, Blumen zu trocknen und die verwelkenden Organismen in jenem letzten Moment zu fotografieren, bevor der Verfall sie endgültig zerstört.
Kathrin Linkersdorff, Jahrgang 1966, ist freie Künstlerin, Artist in Residence am Institut für Biologie / Mikrobiologie der Humboldt-Universität zu Berlin und assoziiertes Mitglied des Exzellenz-Clusters Matters of Activity
© Kathrin Linkersdorff/ Humboldt-Universität zu Berlin.
In ihrem Atelier, das mehr und mehr auch Labor wurde, tauchte sie die getrockneten Tulpen kopfüber in Wasser und hielt mit ihrer Kamera den Tanz der austretenden Moleküle fest. Als nächsten Akt der Reduktion experimentierte sie mit Chemikalien, die den getrockneten Blumen kontrolliert die Farbstoffe entzogen.
Mittlerweile ist Linkersdorff noch einen Schritt weitergegangen. Für ihr neuestes Projekt begab sie sich in die Welt der Mikrobiologie. Als Artist in Residence am Institut für Biologie/Mikrobiologie der Humboldt-Universität zu Berlin untersuchte sie in Zusammenarbeit mit der Mikrobiologin Prof. Regine Hengge das Verhalten von Bakterien, sogenannten Streptomyceten. Das Besondere an den Bodenbakterien: ihre ausgeprägte Fähigkeit zur Produktion leuchtend farbiger Antibiotika. Von nun an dienten ihre Blumen und Pflanzenteile den Mikroben als Wachstumssubstrat. Die Bilder, die an Aufnahmen ferner Galaxien erinnern, scheinen so nicht nur sinnbildlich für den Kreislauf der Natur zu stehen, sie zeigen auch ziemlich überzeugend, warum Schönheit nicht nur im Leben, sondern auch im Sterben entsteht.
Die Ausstellung „Microverse“ kann man im Haus am Kleistpark Berlin noch bis zum 8. Juni anschauen. Am 22. Juni geht es dann im Stadthaus Ulm weiter. Ein Fotoband mit Linkersdorffs Arbeiten ist im Hartmann Books Verlag erschienen.