James Stephenson hat das bisher verlässlichste ESC-Vorhersagetool entwickelt: „The Model“. Hier erklärt er, wie seine Prognose funktioniert und wer die besten Chancen hat. 

Erinnern Sie sich an Paul? Paul hatte acht Arme, lebte im Großraumaquarium des Sea Life Centre Oberhausen und besaß das Talent, während der Fußball-EM 2008 und der WM 2010 den Ausgang nahezu aller Spiele der deutschen Mannschaft korrekt vorauszusagen. Das hat ihm den Ehrentitel „Kraken-Orakel“ eingebracht. Leider hat Paul zu Lebzeiten seine Fähigkeiten als Medium nie dafür genutzt, um den Ausgang des Eurovision Song Contest zu prophezeien.

Kann eine KI vorhersagen, wer den ESC gewinnt? 

Der nächste ESC findet am 17. Mai in Basel statt. In Wettbüros und den sozialen Medien diskutieren Fans bereits darüber, wer die gläserne Trophäe mit nach Hause nehmen wird. Ein Wettportal aus Großbritannien gibt sogar an, einen „Super Computer“ programmiert zu haben, um den wahrscheinlichsten Gewinner zu bestimmen. Die künstlich-intelligente Erkenntnis: Die durchschnittliche Gewinnerin ist weiblich, Solokünstlerin, singt einen englischsprachigen Popsong (am besten über Liebe und Beziehungen) und ist maximal 27 Jahre alt. Doch ist auf eine KI zur Vorhersage wirklich Verlass?

Auslosung für die Eurovision 2025 im Kunstmuseum in Basel
© Daniel Stridh / Eurovoix

Nein, findet James Stephenson. Er ist sich sicher, welche Interpretinnen auf dem Siegertreppchen stehen werden. Und vieles deutet darauf hin, dass seine Prognose verlässlich ist: Denn Stephenson ist nicht nur eingefleischter ESC-Fan, Redakteur und Host des Eurovoix-Podcast, sondern hat auch eine Leidenschaft für Zahlen und Daten. Kombiniert ergibt das sein ESC-Vorhersagemodell „The Model“, das bereits 2024 korrekt den Sieg der Schweiz vorhersagte – obwohl „Nemo“ damals in Umfragen bloß den dritten Platz belegte. Wenn man „The Model“ Vertrauen schenkt, dann wird am Samstag Schwedens „KAJ“ mit „Bara Bada Bastu“ den ersten Platz belegen, dicht gefolgt von Frankreich und Österreich. Doch wie kommt Stephenson zu dieser Erkenntnis, wie sieht es im Maschinenraum seines Vorhersagemodells aus?  

„The Model“ basiert auf einer Reihe messbarer Einflussgrößen. „Das Modell habe ich entwickelt, um alle Daten rund um den ESC zu übersetzen und Wettquoten, Community-Song-Rankings und Umfragen in ein mögliches Ergebnis umzuwandeln“, erklärt Stephenson. Zusätzlich lässt er historische Daten einfließen, etwa alte Voting-Muster zwischen Nachbarländern, die statistisch belegbare Auswirkung des Tempos eines Songs auf dessen Erfolg oder auch Abstimmungen aus nationalen Vorentscheiden. In diesem Jahr nutzte Stephenson außerdem neue Social-Media-Daten: Fanbefragungen dazu, wie gut einzelne Beiträge beim Publikum abschneiden. 

Aber zerstört ein so detailliertes Rechenmodell am Ende nicht die Spannung? „Ich verstehe den Punkt – wenn das Modell zu genau wird, könnte es die Überraschung verderben“, räumt Stephensen ein. Gleichzeitig glaubt er, dass seine Berechnungen die ESC-Diskussion eher bereichern als bremsen. Sie würden die Perspektive von einem vagen „Könnte Schweden gewinnen?“ hin zu konkreten Szenarien verschieben: „Wenn Schweden bei den Jurys über 200 Punkte erreicht, dann kombiniert mit über 300 Punkten im Televoting, könnte das reichen.“ 

Am Ende bleibt für ihn aber klar, dass es Dinge gibt, die sich einfach nicht vorhersagen lassen. Hier übertrumpft der Fan den Statistiker in ihm: „Die unglaublichen Auftritte, die aus dem Nichts kommen – oder die, die plötzlich ins Leere laufen – dafür ist das Modell nicht gemacht.“ Vielleicht ist genau das der Grund, warum wir uns Jahr für Jahr aufs Neue auf den ESC freuen. Weil neben mathematischen Wahrscheinlichkeiten immer noch alles möglich bleibt.