Ursula von der Leyen verhandelte einen milliardenschweren Impfdeal per SMS. Und will diese nicht herausrücken. Nun zwingt sie ein Gericht zur Transparenz. Vergeblich?
„Wo sind die SMS von Ursula von der Leyen?“ Die Frage geisterte durch den Bundestag, als die CDU-Politikerin noch Verteidigungsministerin war. Die Frage beschäftigt die europäischen Institutionen, seit sie Kommissionspräsidentin ist. Die CDU-Politikerin hat es nicht so mit der Transparenz, das ist seit Langem bekannt.
Sie stellt sich keinen kritischen Fragen. Und wenn sie überhaupt mal Interviews gibt, dann ist alles genauestens durchchoreografiert. Nichts soll nach außen dringen, alles wird kontrolliert. Es wundert nicht, dass Journalisten sich gleich darauf einstellen, dass die Kommission mauert, wenn sie wichtige Dokumente bei der Kommission anfragen.
Von der Leyen wollte SMS mit Pfizer-Chef nicht herausrücken – dann klagte die „New York Times“
So ging es auch der „New York Times“, als sie nach jenen SMS fragte, die die Kommissionspräsidentin während der Covid-Pandemie mit Pfizer-Chef Albert Bourla austauschte. Es ging um einen milliardenschweren Deal, den größten Auftrag, den die Kommission jemals vergeben hat: Beim Pharmagiganten Pfizer bestellte die Kommission stellvertretend für die Mitgliedsstaaten 1,8 Milliarden Impfstoffe. Bis heute sind die genauen Kosten nicht bekannt, nur so viel: Es ist von mindestens 35 Milliarden Euro die Rede, ein Großteil der Impfdosen landete letztlich im Müll. Abgelaufen.
Die Details des Deals kennt kaum jemand. Wohl auch, weil die Kommissionspräsidentin ihn offenbar mittels Textnachrichten aushandelte. Das jedenfalls sagte der Pfizer-Chef Bourla der „New York Times“. Doch diese Nachrichten wollte von der Leyen nicht herausrücken. Die Journalisten haben deswegen vor dem Gericht der EU geklagt, heute fiel das Urteil: Die Richter geben der Klage „New York Times“statt. Die EU-Kommission darf die Dokumente nicht unter Verschluss haben.
Das EU-Urteil könnte Journalisten die Arbeit erleichtern
Die Entscheidung ist richtungsweisend. Sie gibt Aufschluss darüber, was die Kommission als offizielle Dokumente einstufen muss. Textnachrichten, so argumentierte die Kommission, seien kurzfristig, die Kommission müsste sie deswegen nicht archivieren. Und nur was archiviert wird, kann letztlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Laut dem Gericht gehören Textnachrichten aber sehr wohl dazu.
Damit ist das Urteil ein Gewinn für mehr Transparenz, es könnte Journalisten die Arbeit erleichtern. Könnte. Wenn denn die Kommission das Urteil nicht anfechtet.
Doch genau das ist zu erwarten. Allein die Verhandlung vor dem EU-Gericht im November war ein Lehrstück darüber, wie die Kommission sich jeglicher Transparenz verschließt. Nicht einmal ihr Anwalt konnte den Richtern sagen, ob die Textnachrichten zwischen Ursula von der Leyen und Albert Bourla denn existieren oder nicht. Er musste zum Teil zu kuriosen Argumenten greifen, auch deswegen, so steht es im Urteil, hat die Kommission vor Gericht verloren. Er sagte: Hätte es Nachrichten mit wichtigen Informationen gegeben, wären sie archiviert worden. Doch die Kommission konnte keine Nachrichten unter den archivierten Dokumenten von Ursula von der Leyen finden. Also gab es sie nicht. Oder ihr Inhalt war nicht relevant.
Wirrer Auftritt von Kommissions-Anwalt vor Gericht
Der Anwalt der Kommission konnte den Richtern nicht einmal beantworten, über welche Plattform die Nachrichten ausgetauscht wurden. Er wusste es schlicht selbst nicht. Nicht, wo die SMS sind, nicht was drinstand, ja nicht einmal, ob sie noch existieren. Die Kommissionschefin, so schien es, vertraut nicht einmal den Anwälten der Institution, der sie vorsitzt.
Wahrscheinlich sind die SMS längst gelöscht. Das damalige Telefon nutzt von der Leyen schon lange nicht mehr, die Diensthandys der Präsidentin werden regelmäßig ausgetauscht. Und bei SMS und von der Leyen dürften bei vielen ohnehin die Alarmglocken klingeln. Bereits in der Affäre um hoch dotierte Beraterverträge, die Ursula von der Leyen – damals Verteidigungsministerin – unrechtmäßig vergeben haben soll, sollten Textnachrichten als Beweismittel gesichert werden. Doch alle SMS auf von der Leyens Handys waren unwiderruflich gelöscht.
Wer nach dem heutigen Urteil vorfreudig die besagten SMS bei der Kommission anfragt, wird womöglich enttäuscht werden. Ursula von der Leyen und ihre Kommission lassen sich nicht zu einer transparenten Institution umerziehen, wohl auch von dem Gericht der EU nicht. Dabei wäre ein bisschen Transparenz gerade in Zeiten, in denen Staatschefs wie Trump die Demokratie zerlegen, wohl nicht verkehrt. Die Kommission aber tut das Gegenteil. Erst im Dezember hat sie klamm und heimlich ihre Geschäftsordnung angepasst und nochmals eingegrenzt, welche Dokumente an die Öffentlichkeit gelangen dürfen.
Von der Leyens Fassade mag mit dem Urteil des EU-Gerichtes einen kleinen Riss haben. Doch dass es die verschwundenen SMS zutage fördert, ist wohl Wunschdenken.