Tabubruch oder Tradition? Letizias weißes Kleid im Vatikan demonstriert Spaniens katholische Geschichte und die einzigartige Stellung des ältesten Königshauses Europas.
Bei der Messe zur Amtseinführung des Pontifikats von Papst Leo XIV. war auch das spanische Königspaar zugegen. Im Petersdom stach Königin Letizia hervor. Strahlend wie immer trug die Monarchin ein besonderes Kleid. Nicht nur die zeitlose Eleganz der Garderobe beeindruckte, sondern vor allem die Farbe: Letizia trug Weiß statt des üblichen schwarzen Kleides mit einer Mantilla, dem traditionellen spanischen Schleiertuch.
Die Mantilla wird von spanischen Frauen bei formellen Anlässen in der katholischen Kirche getragen. Das Tuch wird über den Kopf gelegt, fällt über die Schultern und ist oft mit einem Kamm, der sogenannten Peineta, versehen, die das Tuch fixiert und dem Haar mehr Volumen verleiht.
Königin Letizia – katholischer als andere
Dass Letizia diese Farbe trug, als sie vor den Papst trat, dürfte auf Laien wie ein modischer Tabubruch wirken, dabei betont das Weiß die Sonderstellung der spanischen Monarchie. Weiß zu tragen, geht auf das „Privilegio del Blanco“ zurück. Die Farbe dürfen nur bestimmte katholische Königinnen und Fürstinnen bei Audienzen oder anderen feierlichen Anlässen im Vatikan tragen.
Dieses Privileg wurde ihnen gewährt, weil sie der katholischen Kirche während der Reformation treu blieben, einer Zeit, in der sich viele europäische Monarchien vom Katholizismus abwandten und zum Protestantismus übertraten. Spanien hingegen trat stets für die katholische Sache ein. Daneben genießen nur Belgien, Luxemburg und Monaco dieses Sonderrecht.
Allerdings nutzen Letizia und König Felipe nicht mehr den angestammten Beinamen der spanischen Könige. Der Ehrentitel „Katholische Majestäten“ („Sus Majestades Católicas“) wurde Königin Isabella I. von Kastilien und König Ferdinand II. von Aragón 1496 von Papst Alexander VI. verliehen und ist historisch gesehen eine Bezeichnung für die „Katholischen Könige“ („Reyes Católicos“). Obwohl er heute nicht mehr offiziell genutzt wird, wird er weiter mit dem spanischen Königshaus assoziiert.
Stammvater Hugo Capet
Letizia und König Felipe VI. gehören zum Haus Bourbon, der spanischen Linie der Bourbonen, auch als Bourbon-Anjou bekannt. Die Bourbonen kamen in Spanien durch König Philipp V. an die Macht, der 1700 als erster Bourbon den spanischen Thron bestieg. Er war ein Enkel des französischen Königs Ludwig XIV., des „Sonnenkönigs“. Die Bourbonen leiten sich aus einer Seitenlinie des Hauses Capet ab, einer der ältesten königlichen Dynastien Europas. Stammvater ist Hugo Capet, der 987 zum König des Westfrankenreichs gewählt wurde. Als er am 3. Juli 987 in der Kathedrale von Reims gekrönt wurde, endete die Herrschaft der Karolinger. Hugo war der erste König, der nicht direkt aus der karolingischen Linie stammte, obwohl er über weibliche Linien mit ihnen verwandt war. Kaum eine noch bestehende Adelsfamilie hat daher eine längere Tradition als das spanische Königshaus. Nur die Welfen, Reginaren, Babenberger und Ardennen weisen ältere Ursprünge als die Capet-Dynastie auf.