Zum Schutz von Frauen vor gewalttätigen Partnern oder Ex-Partnern muss mehr getan werden. Eine Maßnahme ist die elektronische Fußfessel. Bislang ist sie in Niedersachsen nicht gesetzlich verankert.

Angezündet, mit dem Auto attackiert und getötet, auf einem Parkplatz erstochen: Innerhalb einer Woche sind in Niedersachsen drei Frauen auf grausame Weise getötet worden. In allen drei Fällen wurden die Partner beziehungsweise Ex-Partner der Getöteten verhaftet. Ihnen wird Mord vorgeworfen. Die Tatorte waren am 5. Mai Goslar im Harz und am 12. Mai Varel im Landkreis Friesland sowie Nienburg an der Weser. 

Noch vor 20 Jahren wurden Verbrechen in Partnerschaftskonflikten oder nach Trennungen oft als „Beziehungstat“ oder „Familiendrama“ verharmlost. Inzwischen ist die Sensibilität für sogenannte Femizide gewachsen. Als Reaktion werden oftmals Demonstrationen organisiert. 

Wird in Niedersachsen genug zum Schutz von Frauen vor gewalttätigen Partnern oder Ex-Partnern getan?

Die Frauenrechtsorganisation Terre de Femmes fordert die bundesweite Einführung der elektronischen Fußfessel zur Überwachung gewalttätiger Männer. In Niedersachsen ist ein entsprechender Gesetzentwurf in Arbeit. Andere Bundesländer wie Hessen oder Sachsen hätten diese technische Maßnahme schon gesetzlich fest verankert, sagt Sina Tonk von Terre de Femmes. 

Auch die in Niedersachsen oppositionelle CDU fordert bei diesem Thema mehr Tempo, um Taten wie in Varel zu verhindern. Ein Gericht hatte dem 38-Jährigen verboten, sich seiner in Trennung lebenden Ehefrau zu nähern. Dieses Annäherungsverbot im Rahmen des Gewaltschutzgesetzes missachtete der Mann offenbar. Er soll die 37-Jährige absichtlich angefahren haben und sitzt wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft. 

Kann die elektronische Fußfessel Femizide verhindern?

Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens ist davon überzeugt und setzt sich deshalb „ausdrücklich für die Einführung der elektronischen Fußfessel nach dem Vorbild des spanischen Modells ein“, wie die SPD-Politikerin der dpa sagte. „Der Einsatz dieser Technologie wird im Rahmen der Reform des niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG) gesetzlich verankert werden“, kündigte Behrens an. „Ihr wesentlicher Vorteil besteht darin, dass sie ermöglicht, die Bewegungen des Täters zu überwachen und sicherzustellen, dass sie sich nicht mehr in die Nähe der Gefährdeten begeben.“

Reicht die technische Überwachung von Tätern aus, um Gewalt gegen Frauen einzudämmen?

Die elektronische Fußfessel sollte nach Überzeugung von Terre de Femmes mit einer Gefährdungseinschätzung einhergehen. In Spanien hätten durch diese parallelen Maßnahmen Femizide verhindert werden können. Die Organisation hält weitere Schritte für notwendig. „Bei Femiziden gibt es oft eine strafrechtliche Vorgeschichte, etwa wegen Körperverletzung oder in Zusammenhang mit Stalking. Häufig lag ein sehr kontrollierendes Verhalten vor und auch Anzeigen zu häuslicher Gewalt nach dem Gewaltschutzgesetz und ein angeordnetes Annäherungsverbot“, sagt Tonk. 

Welche weiteren Maßnahmen sind notwendig?

Das Umgangs- und Sorgerecht des Vaters müsse nach einer Trennung erst einmal ausgesetzt werden, wenn ein Mann gewalttätig ist, fordert Terre de Femmes. Es sei nicht gerechtfertigt, dass dieses oftmals höher gewertet werde als die Sicherheit der Frau und der Familie. „Prävention spielt eine wichtige Rolle“, sagt Sina Tonk. „Mit Aufklärung über Rollenstereotype schon in Kita und Schulen sowie verpflichtende Anti-Gewalt Programme für gewalttätige Männer. „

Im Fall Goslar ist der Mordverdächtige ein Syrer. Werden Femizide häufiger von Menschen mit Migrationshintergrund begangen?

Der Anteil deutscher Tatverdächtiger bei Partnerschaftsgewalt lag im Jahr 2023 bei 63,3 Prozent. Das Projekt Fem-United hat Femizide der Jahre 2019 und 2020 ausgewertet und dabei festgestellt, dass bei 22 Prozent der Täter ein ethnischer Minderheitenhintergrund festgestellt wurde. Dieser Anteil sei nicht höher als im Bevölkerungsdurchschnitt, sagt Tonk. Femiziden liege ein „patriarchalisches Besitzdenken“ zugrunde. „Deshalb finden sie oft infolge einer Trennung statt.“ Die Taten kämen in allen Bevölkerungsgruppen vor.

Bei häuslicher Gewalt waren laut Innenministerium in Hannover im Jahr 2024 knapp 31 Prozent der Tatverdächtigen nicht deutsch, bei allen Straftaten in Niedersachsen lag ihr Anteil bei gut 33 Prozent.

Ist bekannt, wie viele Frauen in Niedersachsen Opfer von Femiziden werden?

Als Femizide werden Gewaltverbrechen bezeichnet, bei denen Frauen aufgrund ihres Geschlechts getötet werden. In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) gibt es keine solche Kategorie. Nach Angaben des niedersächsischen Innenministeriums wurden im vergangenen Jahr 58 Frauen und 32 Männer Opfer eines versuchten beziehungsweise vollendeten Tötungsdelikt im Kontext häuslicher Gewalt. In diesen Fällen seien 71 Männer und 28 Frauen als Tatverdächtige erfasst worden. Das Ministerium rechnet nach einer vorläufigen Hochrechnung für die ersten vier Monate nicht mit einem Anstieg der Fallzahlen für 2025.