Union und SPD haben für ihr Finanzpaket die Grünen an Bord, müssen aber große Zugeständnisse machen. Die Presse sieht darin nicht das einzige Problem für Friedrich Merz.

Es war ein langes Ringen, am Ende stand doch die Einigung: Jetzt sieht es so aus, als könne das Multimilliarden-Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur im Bundestag bestehen. Union und SPD haben sich mit den Grünen geeinigt, mussten dabei aber einige Zugeständnisse machen. 

Auch das Bundesverfassungsgericht hat seine Zustimmung zur Abstimmung im alten Bundestag gegeben. Am Sonntag tagt der Haushaltsausschuss und gibt eine Beschlussempfehlung für den Bundestag ab. Der endgültige Beschluss ist dann für Dienstag geplant. Die Presse wertet die Grünen als großen Gewinner der Verhandlungen – und für Friedrich Merz ziehen Probleme herauf, noch bevor er Kanzler ist.

So sieht die Presse die Einigung über das Finanzpaket

„Straubinger Tagblatt / Landshuter Zeitung“: „CDU-Chef Friedrich Merz gibt sich gerne wie der große Zampano. Den Ton angegeben haben aber andere im Zustimmungskrimi um die Schuldenbremse und Sondervermögen im Bundestag – ausgerechnet die Grünen. Merz als Schuldenkanzler statt Reformer, wer hätte das gedacht? (…) Das ganze Land sehnt sich nach dem Ampel-Chaos nach einer stabilen Regierung. Es wartet auf einen Aufbruch, darauf, dass einer eine klare Vorstellung hat und zeigt, wo es lang geht – Merz tut das gerade nicht. Sicher ist nur eins: Merz will Kanzler werden – ganz nach dem Motto: Wer hat noch nichts, wer will noch mehr? Koste es, was es wolle.“

„Weser-Kurier“: „Einen Schönheitspreis haben Union und SPD dafür nicht verdient. Die Aktion war eher ein schmutziges Stück Machtpolitik. Aber notwendig, denn angesichts der Zusammensetzung des neuen Bundestages dürfte es künftig kaum möglich sein, die notwendige Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und Europas zu sichern. Eines aber sind die Grundgesetzänderungen nicht: eine unzumutbare Belastung der kommenden Generation. Die Kosten für ein unfreies Europa, für weiter verfallende Brücken, Straßen, Schienen, Schulen und Kliniken würden um ein Vielfaches höher ausfallen als die Zinszahlungen, die auf sie zukommen, weil die fälligen Investitionen jetzt endlich getätigt werden.“

„Stuttgarter Zeitung“: „Der Kanzler in spe hat eine heikle Hürde auf dem Weg an die Macht überwunden. Er hat das bisher einmalige Kunststück fertig gebracht, dass ihm noch das alte Parlament einen roten Teppich ausrollen wird, über den er mit immensem Startkapital ins Kanzleramt einziehen kann. Was bleibt, sind Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit. Und was nun folgt, ist nicht mehr Dritten anzulasten – wie für den Fall, dass die Grünen die Rolle des Spielverderbers übernommen hätten. Von nun an tragen Merz & Co. allein die Verantwortung für eine Zukunft, die sie mit dem Geld künftiger Steuerzahler teuer erkaufen.“

„Nürnberger Nachrichten“: „Was die Grünen vorschlugen, ging nun in den Kompromiss ein, der wohl den Weg für die neue Regierung freimacht. (…) Daraus kann eine glaubwürdige, starke Antwort auf die Herausforderungen werden, die der Republik bevorstehen. Ein kräftiges Signal, dass Deutschland seine Rolle als Motor Europas wieder ausfüllen will – in Zeiten wachsender Unsicherheit, ja Bedrohungen. Wenn sich alle zusammenraufen, kann die Koalition Erfolgsgeschichte schreiben.“

„Frankfurter Allgemeine Zeitung“: „Die Einigung mit den Grünen bringt Merz seinem Ziel, Bundeskanzler zu werden, ein großes Stück näher. Sie vergrößert aber auch die Hypothek, die er aufnehmen musste, um seiner Partei die Rückkehr an die Macht zu ermöglichen und damit den Richtungswechsel einzuleiten, den CDU und CSU im Wahlkampf versprochen hatten. … Der Vorwurf des Wortbruchs und der Wählertäuschung werden noch lange nachhallen. (…) Ganz hilf- und wehrlos am Pranger steht Merz freilich nicht. Die Union und die SPD können schon in den Koalitionsverhandlungen zeigen, dass sie nicht nur Schulden machen, sondern auch die Reformen anpacken wollen. (…) Wenn die neue Regierung die riesigen finanziellen Möglichkeiten, die ihr zur Verfügung stehen, zur umfassenden Modernisierung Deutschlands nutzt, dann könnte man der Union den Schulden-Sündenfall verzeihen.“

„Münchner Merkur“: „Am Ende des Psychokriegs um das schwarz-rote XXL-Schuldenpaket steht ein grüner Kapitulationssieg: 100 Milliarden fürs Klima schaufeln CDU, CSU und SPD frei, mehr als sich die Grünen je hätten erträumen können. Respekt. Das ist Balsam auf manche Wunde, die Robert Habeck und die Seinen im Wahlkampf davongetragen haben. Stellt sich die Frage: Wer ist jetzt eigentlich in der Regierung – und wer in der Opposition? Friedrich Merz aber startet mit einer schweren Hypothek in seine Kanzlerschaft: Zum Vorwurf des Wahlbetrugs und der Verschwendungssucht gesellt sich nun noch die Kritik, eine schwierige Verhandlungssituation dilettantisch gemanagt zu haben.“

„T-Online“: „Merz bekommt sein Finanzpaket jetzt aller Voraussicht nach durch den Bundestag. Das ist wichtig, denn andernfalls hätte der CDU-Chef vor kaum lösbaren Problemen gestanden. Nur muss er sich fragen: Zu welchem Preis? Der CDU-Vorsitzende hat in den vergangenen Wochen fast alle politischen Leitlinien aus dem Wahlkampf über Bord geworfen – ohne mit der Wimper zu zucken. Den Grünen-Fraktionschefinnen Katharina Dröge und Britta Haßelmann ist es nicht nur gelungen, einiges für ihre Partei herauszuholen, sondern auch, die schwarz-rote Koalition vorzuführen, bevor sie richtig gestartet ist. Am Ende ist es also nicht nur mehr Ehrlichkeit, die man sich von einem Kanzler Merz für die Zukunft wünschen darf, sondern auch mehr Verhandlungsgeschick. Andernfalls droht seine Koalition genau dort weiterzumachen, wo die Ampel aufgehört hat.“

„Der Standard“ (Österreich): „Friedrich Merz hat sich verkalkuliert. Die Grünen wollen nicht bloß abnicken, sondern haben eigene Forderungen. Das ist ihr gutes Recht. Merz jedoch hat diese eigentlich recht nachvollziehbare Möglichkeit nicht bedacht. Er hat auch den Frust unterschätzt, der sich bei den Grünen aufgestaut hat. Besonders klug oder weitsichtig war das nicht. Aber immerhin zeigen diese Verhandlungen um die Milliardenpakete Merz eines auf, noch bevor er einen einzigen Tag Kanzler war: Er muss noch einiges lernen.“