Die Aufnahme sogenannter Notkredite zum Ausgleich eines Defizits im schleswig-holsteinischen Landeshaushalt 2024 ist verfassungswidrig gewesen. Das Landesverfassungsgericht in Schleswig begründete dies am Dienstag mit unzureichenden Begründungen in entsprechenden Landtagsbeschlüssen, vor allem zur konkreten Höhe krisenbedingter finanzieller Belastungen. Es gab damit Klagen der Oppositionsfraktionen von SPD und FDP statt. (Az. LVerfG 1/24)
Der Landeshaushalt für das vergangene Jahr hatte ursprünglich die Aufnahme von drei Notkrediten in einer Gesamthöhe von etwa eineinhalb Milliarden Euro vorgesehen, von denen später nach Angaben der Landesregierung aus CDU und Grünen aber nur rund 494 Millionen Euro benötigt wurden. Die Regierung begründete die Aufnahme mit einer Haushaltsnotlage in Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, der Coronapandemie sowie einer schweren Ostseesturmflut.
Die schwarz-grüne Regierungsmehrheit im Kieler Landtag stimmte dem Haushaltsgesetz samt umstrittener Notkreditermächtigungen später zu. Die Oppositionsparteien SPD und FDP zogen danach vor das Verfassungsgericht, die FDP etwa sprach von „Tricksereien“ zur Umgehung der Schuldenbremse.
FDP-Landtagsfraktionschef Christopher Vogt forderte CDU und Grüne nach dem Urteil auf, dieses „vollumfänglich beim laufenden Haushalt 2025“ zu berücksichtigen. SPD-Landessvorsitzende Serpil Midyatli sprach von einem „Tiefpunkt in der Geschichte des Landes“. Sie erwarte „umgehend einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr“, betonte Midyatli am Dienstag.
CDU und Grüne bezeichneten das Urteil als klärend für den Umgang mit Notkrediten auf Landesebene. Die Anforderungen seien demnach „sehr hoch“ und dem Landtag sowie der Landesregierung „in dieser Form bisher nicht bekannt gewesen“, erklärte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Sie gingen noch über die Vorgaben hinaus, die das Bundesverfassungsgericht im November 2023 zu Schuldenbremse und Sondervermögen des Bundes formuliert habe. „Daraus werden wir ab sofort Folgerungen ziehen“, fügte Günther an.
Landesfinanzministerin Silke Schneider (Grüne) betonte, das Urteil habe keine unmittelbaren Auswirkungen auf das inzwischen schon abgeschlossene Haushaltsjahr 2024. Auswirkungen auf den Haushalt des laufenden Jahres würden „sorgfältig“ geprüft. Derzeit gehe die Landesregierung davon aus, dass die Aufnahme neuer Notkredite nicht nötig sein werde. Grund dafür sei die jüngst auf Bundesebene beschlossene Reform der Schuldenbremse.
Das Gericht betonte in seiner Entscheidung vom Dienstag, die von der Regierung angeführten Krisen wie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Coronapandemie stellten „außergewöhnliche Notsituationen“ außerhalb der Kontrolle des Landes dar. Auch stehe dem Gesetzgeber bei der Beurteilung der Folgen für die staatliche Finanzlage ein weiter Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu. Die erwartete finanzielle Belastung müsse allerdings „mindestens näherungsweise“ bestimmt werden.
Dies habe der Gesetzgeber im vorliegenden Fall nur für die Sturmflut getan. Insgesamt ergebe sich aus den Landtagsbeschlüssen und den im dazugehörigen Verfahren erstellten Dokumenten „kein Gesamtbild einer erheblichen finanziellen Beeinträchtigung“, erklärte das Gericht. Der Gesetzgeber müsse zudem jeweils „einen konkreten Bezug“ zwischen der auslösenden Notlage und den durch die Notkredite finanzierten Maßnahmen hinreichend erläutern. Beides gelte insbesondere, wenn die Krise länger zurückliege – im vorliegenden Fall also vor allem die Coronapandemie.