Der erste Morgen unter neuem Papst. Die Römer scheinen mit der Wahl von Kardinal Prevost zufrieden – und bewundern die Kraft der Kirche, sich zu erneuern. Ein Stimmungsbild.
Heute Morgen gibt es in Rom nur ein Thema: Papa Leone. Der Neue, der Unbekannte. Ist Robert Francis Prevost mehr ein Amerikaner oder doch ein Latino? „Immerhin lebte er zwanzig Jahre in Peru, außerdem hat er europäische Wurzeln, sogar italienische“, bemerkt eine Frau in der S-Bahn auf dem Weg zur Arbeit. Man tastet sich noch heran an den frisch gewählten Pontifex. Man sucht nach Antworten.
Im Bahnhofscafé vor der Station San Pietro rätseln die Erzieherinnen Veronica und Cinzia über den ersten US-amerikanischen Papst in der Kirchengeschichte. „Sie haben ihn gewählt, damit er Präsident Trump eindämmt“, glaubt Veronica. Leo werde für Frieden und Gerechtigkeit sorgen, hofft Cinzia. Drüben an der Theke trinkt Augusto einen Espresso. Etwas zu pompös sei der erste Auftritt geraten, sagt der 30-Jährige. In Stola aus Brokat auf die Mittelloggia von Sankt Peter. Aber sonst? Sonst sei Leo okay.
Die Kirche kann sich erneuern
Boutiqueinhaberin Patrizia und ihr Freund Roberto sind sich einig: Papst Leo ist eine gute Wahl
© Luisa Brandl
Etwas weiter, in der Boutique von Patrizia: Ihr Freund Roberto, ein Anwalt, hat sich heute freigenommen, um mal in den Thermen zu entspannen. Bevor er losfährt, schaut er noch im Laden vorbei. Die beiden reden über den Wahlabend. Natürlich war sie gestern auf dem Petersplatz und jubelte mit. „Leo ist ein sensibler Mann, hat einen starken Charakter. Er wird uns Frieden bringen“, meint sie. Roberto – runde Brille über einem freundlichen Gesicht – nickt begeistert, schmunzelt zufrieden. „Prevost ist eine gute Wahl. Er predigte für die Armen, ist aber auch ein scharfsinniger Denker, ein Mathematiker. Er ist intelligent“, sagt er.
Dass die Papstwahl so schnell ging, hat den weißhaarigen Römer wirklich überrascht. Es macht ihn nachdenklich. Das Konklave sei doch eine Versammlung alter Männer, und im Alter, da würden doch alle unflexibler. „Aber die Kardinäle haben es beim vierten Anlauf geschafft, sich auf einen unter ihnen zu einigen. Die Kirche hat gestern bewiesen, dass sie sich erneuern kann“, analysiert Roberto.
Ein Haus weiter stehen Nachbarinnen unter einem großen Eingangsportal beisammen. Die eine hat gerade ihren quirligen Hund ausgeführt. Die anderen beiden sind auf dem Weg in die Bar zum Frühstücken. Man kennt sich, man schwatzt über die Familie und die Neuigkeiten im Haus. Doch an diesem Morgen ist Leo das Thema. Und das geht nicht so schnell. Jede will erzählen, wie sie ihn wahrgenommen hat.
Papst Leo erreicht auch die jungen Menschen
Leo sei anfangs ein bisschen unsicher gewesen, sagt die eine, immer wieder sei er den Tränen nahe gewesen. Er habe sich seine Rede genau zurechtlegen müssen. Dafür habe aber auch jedes Wort gesessen. Der Kern seiner Botschaft war für sie: „Ein entwaffneter und entwaffnender Frieden.“ Sie hört der Formulierung noch einen Moment lang nach. Dann stellt sie entschlossen fest: Leo ist ein Papst, der uns Frieden bringen wird.
Ihre Nachbarin greift einen anderen Punkt aus seiner Rede heraus. Wie er trotz seiner Reserviertheit auf die Menschen zugegangen sei. Leo habe jeden aufgefordert mitzuhelfen, damit die Kirche wieder geeint zusammenstehe. Er werde der Glaubensgemeinschaft neuen Schwung verleihen, glaubt sie. Damit erreiche er gerade auch die jungen Menschen.
Ist das so?
Papst Leo solle die Jugendlichen an die Kirche heranführen, sagen die Neuntklässler
© Luisa Brandl
Kurze Nachfrage vor der Caffetteria San Pietro, wo eine Gruppe Neuntklässler vom nahe gelegenen Gymnasium den Weg ins Klassenzimmer noch etwas hinauszögert. Zu verlockend ist dieser laue Frühlingsmorgen. Ihre Stimmen sind noch ein wenig rau von gestern. Gejohlt hätten sie mit tausenden anderen in der Menge auf dem Petersplatz. Und mitgeklatscht. Was bedeutet ihnen der Papst ganz generell? „Er gehört zu uns. Er ist schon immer da gewesen. Mal sehen, wie der Neue so wird“, sagt einer. Und was sollte Leo tun? „Ich fände es gut, wenn er versuchen würde, die Jugendlichen wieder an die Kirche heranzuführen. Das würde zwischen uns mehr Frieden stiften“, glaubt ein anderer. Der Rest der Gruppe stimmt etwas betreten zu. Fazit der Jugend: Leo ist ganz in Ordnung. Dann müssen sie los.