Wohnungslosigkeit betrifft nicht nur Städte: Auch in Hessens ländlichen Regionen gibt es kommunale Obdachlosenunterkünfte. Die Plätze sind knapp, und nicht alle Betroffenen finden wieder heraus.
In Ballungsräumen wie Frankfurt gehören Obdachlose zum Stadtbild dazu. Doch Wohnungslosigkeit macht nicht an Stadtgrenzen halt. Auch im ländlichen Raum gibt es Menschen ohne eigenes Dach über dem Kopf – oft unsichtbar. Das hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung verpflichtet Kommunen dazu, im Rahmen der Gefahrenabwehr unfreiwillige Obdachlosigkeit zu verhindern und Betroffene unterzubringen.
Statt großer Heime setzen kleinere hessische Gemeinden meist auf Wohnungen in kommunalem Besitz. Der Zugang zu diesen Notwohnungen ist weniger restriktiv als auf dem regulären Wohnungsmarkt: Wer Hilfe braucht, wird eingewiesen, unabhängig von Einkommen oder Schufa-Auskunft. Das hat seinen Preis: Die Kommunen legen in eigenen Gebührensatzungen die Kosten der Unterbringung fest.
Nutzung von Wohnungen als Obdachlosenunterkunft
In der südhessischen Gemeinde Groß-Zimmern (Landkreis Darmstadt-Dieburg) etwa legt die „Obdachlosensatzung“ eine Nutzungsgebühr von monatlich rund 500 Euro inklusive Heiz- und Nebenkosten für die Unterbringung einer Person fest. Bei zwei Personen belaufen sich die Kosten auf rund 800 Euro.
Bei den Obdachlosenunterkünften der Gemeinde handle es sich um Wohnungen, die im kommunalen Besitz sind und zum Teil mehrfach belegt werden, erklärt Steffen Acker, Leiter des Ordnungs- und Sozialamts Groß-Zimmern. Insgesamt stehen in der Gemeinde sechs möblierte Zwei-Zimmer-Wohnungen für die Nutzung als Obdachlosenunterkunft zur Verfügung.
Verschiedene Gründe für Unterbringung
„Wir sind im Prinzip an der Vollbelegung. Aktuell ist noch eine Wohnung frei. Wir haben auch in Groß-Zimmern einen angespannten Wohnungsmarkt und immer wieder verschiedene Konstellationen, die die Unterbringung nötig machen“, sagt Acker. Das reiche von der Zwangsräumung über Geflüchtete, die nach ihrer Anerkennung die Gemeinschaftsunterkünfte verlassen müssen, bis hin zur Trennung. „Auf dem Land ist das ein wenig anders. Man stellt sich den klassischen Obdachlosen vermutlich nicht so vor, wie die Menschen, die bei uns hier auftauchen.“
Eigentlich seien die Unterkünfte als kurzfristige Lösung gedacht. „Wir haben hier aber auch Leute, die schaffen es zum Beispiel aufgrund einer Suchtproblematik nicht, auszuziehen und in ein normales Mietverhältnis vermittelt zu werden“, berichtet der Ordnungsamtsleiter.
Unterstützung durch Sozialarbeiter
In solchen Härtefällen könne sich die Unterbringung auch über mehrere Jahre ziehen. „Es gibt Leute, die wohnen ihr Leben lang in so einer Wohnung und kommen da leider nicht raus“, ergänzt Acker. Damit es nicht so weit kommt, werden die Bewohner der Unterkünfte von der Fachstelle Wendepunkt für Wohnungsnotfälle unterstützt.
„Wir sind vor allem aufsuchend aktiv und regelmäßig in den Unterkünften vor Ort. Wir beraten aber auch präventiv etwa zum Thema Mietschulden“, erklärt Anne Klingelhöfer, Sozialarbeiterin bei Wendepunkt. Viele Menschen würden nach einer Räumungsklage in einer der Unterkünfte landen – und blieben dort oft länger als geplant.
Der Weg zurück in eine eigene Wohnung sei schwierig, da Betroffene auf dem regulären Wohnungsmarkt auf zahlreiche Hürden stießen. „Selbst bei Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus werden mittlerweile oft Schufa-Auskünfte vorausgesetzt“, berichtet Klingelhöfer. Dadurch gerieten viele Menschen in einen Teufelskreis, aus dem sie ohne Unterstützung kaum herausfänden.
Übernahme der Kosten der Unterkunft
Wer die Gebühren für die Unterbringung in einer Obdachlosenunterkunft festlegt und letztlich auch, wer sie bezahlt, sei von Kommune zu Kommune unterschiedlich, erklärt Katharina Alborea, Referentin für Wohnungsnotfallhilfe bei der Diakonie Hessen. Bei einer ordnungsrechtlichen Einweisung nach dem hessischen Gesetz für Sicherheit und Ordnung müssten Betroffene in der Regel nicht selbst „aus der eigenen Hosentasche“ zahlen, sagt die Referentin.
Gebühren von Obdachlosenunterkünften könnten als Bedarf in die Berechnung des Bürgergelds einbezogen werden. Sie fallen unter die Kosten der Unterkunft und Heizung, wie die Bundesagentur für Arbeit Hessen auf dpa-Anfrage mitteilt. Voraussetzung für den Bezug sei immer, dass die Betroffenen tatsächlich Bürgergeld beantragt haben und berechtigt sind.
Auch wer sich zunächst ohne ordnungsrechtliche Einweisung an eine Einrichtung wende, könne in der Regel auf Unterstützung durch das Sozialamt zählen, sagt Alborea. Sozialarbeiter vor Ort würden helfen, Ansprüche zu klären und notwendige Anträge zu stellen.
Suche nach individuellen Lösungen
Das gilt auch für die Frankfurter Notübernachtungsstätte im Ostpark, die vom Frankfurter Verein für Soziale Heimstätten betrieben wird. „Bei uns werden zunächst die Daten aufgenommen und ans Sozialamt weitergeleitet“, erklärt Christine Heinrichs, stellvertretende Geschäftsführerin und Leiterin des Bereichs Wohnen. Im sogenannten Clearing prüfe man, welche Ansprüche nach dem Sozialgesetzbuch bestehen. „Die Kosten rechnen wir direkt mit der Stadt ab. Je weniger Bürokratie, desto besser für die Wohnungslosen“, sagt Heinrichs. Die rund 190 Plätze der Notunterkunft seien fast immer voll belegt.
Auch in Sonderfällen werde niemand einfach abgewiesen, auch nicht ohne Ausweispapiere: „In solchen Fällen bleibt die Person so lange bei uns, bis die nötigen Dokumente beantragt sind.“ Ziel sei immer eine individuelle Lösung – etwa durch Unterstützung bei der Rückkehr in die Heimatgemeinde. „Die Person muss dann nicht auf der Straße schlafen“, betont Heinrichs.
Laut der aktuellen Wohnungslosenstatistik des Statistischen Bundesamts waren im vergangenen Jahr hessenweit fast 26.000 wohnungslose Menschen in einer Einrichtung untergebracht.