Mit klebrigem Napalm, das auf See brannte, führte Byzanz seine Kriege. Diese fürchterliche Waffe, ein technisches Wunder, besiegte alle Feinde – bis zur Ära der Kanonen.

 

Das Römische Reich basierte auf der Macht seiner Legionen, ihrer Disziplin und ihrer Fähigkeit, auch im Gefecht komplexe Manöver auszuführen. Dies ist allgemein bekannt. Weniger bekannt ist, dass das Oströmische Reich eine Superwaffe besaß, die es ihm ermöglichte, den Untergang Westroms um 1000 Jahre zu überdauern. Die zahlreichen Feinde, die das schrumpfende Gebiet von Byzanz, so der Name des Ostteils des Imperiums Romanum, des heutigen Istanbul, von allen Seiten bedrohten, wurden durch eine Art „antikes Napalm“ in Schach gehalten: das Griechische Feuer.

Die Rezeptur dieser tödlichen Substanz war das am strengsten gehütete Reichsgeheimnis, das nur von Kaiser zu Kaiser bis zum Fall des Imperiums im Jahr 1453 weitergegeben wurde. Mit dem Untergang von Byzanz ging auch die genaue Zusammensetzung verloren. Bis heute konnte sie nicht rekonstruiert werden. Moderne Wissenschaftler und Historiker haben versucht, das Griechische Feuer nachzubauen, indem sie Mischungen aus Erdöl, Salpeter und Harzen testeten. Experimente zeigen, dass bestimmte Kombinationen tatsächlich Eigenschaften wie Selbstentzündung oder Wasserresistenz aufweisen, doch die exakte Formel bleibt ein Rätsel. Archäologische Funde von Feuerspritzen in Konstantinopel liefern weitere Hinweise, sind aber nicht eindeutig.

Ungeahnte Wirkung des „antiken Napalms“

Brandwaffen waren im Krieg nichts Ungewöhnliches – man nutzte Brandpfeile und Feuertöpfe gegen Befestigungen oder ließ brennende Ballen auf die Schlachtreihen der Gegner rollen. Um die Wirkung zu verstärken, wurden Lappen und Hölzer mit Fett oder Öl getränkt. Selbst fette Schweine wurden bei Belagerungen in Brand gesetzt. Im Gegensatz zu den Brandwaffen der Perser, die oft auf einfachem Pech basierten, oder den frühen Brandmischungen der Chinesen, die hauptsächlich bei Belagerungen eingesetzt wurden, war das Griechische Feuer durch seine Selbstentzündung und Wasserresistenz einzigartig. Diese Eigenschaften machten es besonders auf See zu einer unüberwindbaren Waffe. Das Griechische Feuer ähnelte dem heutigen Napalm. Seine infernalische Kraft und das Dröhnen der ausgestoßenen Flammen erinnerten die Zeitgenossen an die Apokalypse. Mit herkömmlicher Kriegsführung hatte dies nichts mehr zu tun.

Das Griechische Feuer war nicht nur eine physische, sondern auch eine psychologische Waffe. Feindliche Armeen und Flotten wurden durch den Anblick der zerstörerischen Flammen und das ohrenbetäubende Zischen in Panik versetzt. Die Byzantiner nutzten diesen Ruf gezielt, indem sie die Waffe als göttliche Strafe darstellten, was ihren Feinden den Eindruck vermittelte, gegen eine übernatürliche Macht zu kämpfen.

Entstanden ist das Feuer in einer neuen Notsituation des Imperiums. Zur Zeit von Konstantin IV. Pogonatos (Kaiser von 668–685) war der Versuch, das Reich in alter Größe wiederherzustellen, längst gescheitert. Er sah sich einer neuen Herausforderung gegenüber: den arabischen Kriegern, die nach dem Tod des Propheten die östlichen Gebiete des Reiches erobertem. Da kam die neue Wunderwaffe gerade recht. Der Chronist Theophanes Confessor berichtet: „Zu dieser Zeit erfand Kallinikos, ein Architekt aus Heliopolis in Syrien, das flüssige Feuer, das die Schiffe der Araber in Brand setzte und sie mitsamt ihrer Besatzung verbrannte.“ Kaiser Konstantin Porphyrogennetos bestätigt in seiner Schrift De Administrando Imperio: „Kallinikos, der das flüssige Feuer erfand, brachte es nach Byzanz, um es dem Kaiser zu übergeben.“ Spätere Legenden behaupteten, ein Engel habe Konstantin dem Großen das Ur-Rezept direkt aus dem Himmelreich übergeben.

Nicht zu löschen

Die Substanz entzündete sich bei Kontakt mit der Luft von selbst, und die klebrige Masse konnte mit Wasser nicht gelöscht werden. Sie haftete an allem, womit sie in Berührung kam – an Holz, an Haut – und brannte sich ein, bis das Material so heiß wurde, dass es selbst Feuer fing. Selbst die Wellen des Meeres verwandelte sie in ein flammendes Inferno. Nur mit Essig oder abgestandenem Urin getränkte Häute oder Planen boten einen gewissen Schutz. Damit war das Griechische Feuer die perfekte Waffe für die Marine, da es getroffene Schiffe zuverlässig in Brand setzte. Kaiser Leo VI. beschreibt in seinem militärischen Handbuch Taktika: „Das flüssige Feuer, das durch Siphone geschleudert wird, soll auf den feindlichen Schiffen eingesetzt werden, um sie zu verbrennen, da es selbst auf dem Wasser brennt.“

Das Material wurde in Töpfe gefüllt, die geworfen oder von Katapulten geschleudert wurden. Auf Schiffen wurde es mithilfe einer geheimnisvollen Apparatur versprüht. Diese Feuerspritze, bekannt als siphon, war ein Meisterwerk byzantinischer Ingenieurskunst. Sie bestand aus einem bronzenen Rohr, das mit einem Blasebalg oder einer Pumpe verbunden war, um Druck aufzubauen. Ein kleiner Ofen erhitzte die Substanz, bevor sie durch das Rohr geschleudert wurde. Die genaue Konstruktion blieb ein Geheimnis, doch zeitgenössische Berichte deuten auf eine Kombination aus Metallarbeiten und präziser Mechanik hin, die für die damalige Zeit außergewöhnlich war. Mit einer pumpenden Bewegung wurde das Brandmittel dann in Schüben aus dem Rohr geschleudert. Das Ergebnis war ein Feuerstrahl von Dutzenden Metern Länge, der sich durch die Luft bog.

Waffe aus Byzanz inspirierte „Game of Thrones“

Ein entscheidender Einsatz des Griechischen Feuers fand während der ersten arabischen Belagerung Konstantinopels (674–678) statt. Die byzantinische Flotte vernichtete die angreifende arabische Marine, indem sie das Feuer gezielt gegen deren Schiffe einsetzte. Auch in der zweiten Belagerung (717–718) rettete die Waffe die Stadt vor der Eroberung, indem sie die überlegene Flotte der Umayyaden in Flammen aufgehen ließ. Die kleinen Feuerschiffe der Byzantiner verwandelten sich in wütende, feuerspeiende Drachen. 

Anna Komnene schildert in ihrem Werk Alexias einen späteren Einsatz unter Kaiser Alexios I.: „Und das Feuer, das sich gegen die Feinde richten sollte, floss in Rohren durch die Mäuler der Biester, sodass es aussah, als spuckten die Löwen und anderen Monster Feuer.“ Mehrmals vernichteten sie überlegene feindliche Flotten vollständig. Die Wirkung war so beeindruckend, dass sie sogar die Serie „Game of Thrones“ inspirierte. Das grün leuchtende „Wildfire“, welches in der Schlacht von Blackwater eine ganze Flotte verbrennt, ist inspiriert vom Griechischen Feuer. 

Neben Game of Thrones beeinflusste das Griechische Feuer auch andere Werke, wie historische Romane oder Videospiele, in denen die mystische Waffe als Symbol für byzantinische Macht dargestellt wird. In der Populärkultur bleibt es ein Sinnbild für unbezwingbare Technologie und Geheimniskrämerei.

Zudem verfügten die Byzantiner über tragbare Rohre, die wie Flammenwerfer genutzt wurden. Eine Quelle beschreibt: „Von der Kiefer und anderen immergrünen Bäumen wird brennbares Harz gesammelt. Dieses wird mit Schwefel eingerieben, in Schläuche gefüllt und von Männern mit kräftigem und anhaltendem Atemzug in die Höhe geschleudert. Dann fällt es wie ein feuriger Wirbelwind auf die Gesichter der Feinde.“ Um die Panik in den feindlichen Reihen auszunutzen, wurden gleichzeitig Krähenfüße geworfen, deren spitze Haken die Sohlen der Sandalen durchbohrten.

 Besiegt durch die Artillerie

Heute nimmt man an, dass das Griechische Feuer aus einer Mischung von Erdöl, Pech, Schwefel, Kiefern- oder Zedernharz, Kalk, Bitumen und Salpeter bestand. Für die Feinde blieb das „Teufelszeug“ ein Rätsel. Obwohl ihnen das Material und die Apparaturen in die Hände fielen, konnten sie es nie selbst herstellen. Ähnliche Rezepturen wurden später von Arabern und Kreuzrittern verwendet, erreichten jedoch nie die Wirksamkeit des Originals. Die Kaiser von Byzanz setzten das Feuer nur in größter Not ein, um sein Geheimnis zu wahren. 800 Jahre lang schützte es die Mauern der Stadt – bis eine neue Superwaffe auftauchte. 

Bei der Eroberung Konstantinopels setzte der osmanische Sultan Mehmed II. erstmals schwere Belagerungskanonen ein, deren Reichweite die des tödlichen Feuers bei Weitem übertraf. Neben der überlegenen Reichweite der osmanischen Kanonen trugen auch die Entwicklung gepanzerter Schiffe und veränderte Seetaktiken zum Rückgang der Bedeutung des Griechischen Feuers bei. Während es im Frühmittelalter Flotten dominierte, beendeten neue Technologien und die zunehmende Verfügbarkeit von Schießpulver die Vorherrschaft der geheimnisvollen Waffe. 

Quellen: STMU History MediaNational Interest