Tief in der Wüste des Tschad liegen sie versteckt: Höhlen mit uralten Malereien von den Ahnen der Nomadenvölker. Der Fotograf Pascal Maitre ging mit auf Schatzsuche in der Sahara.
„Man hat das Gefühl, dass man dort steht, wo die Welt begonnen hat“, sagt Pascal Maitre nach seiner Reise in das Ennedi-Massiv in der Sahara. „Dass die Menschen uns etwas hinterlassen haben, ihre Spuren, ihre Geschichten.“ Der französische Fotograf arbeitet seit mehreren Jahrzehnten in den Ländern Afrikas, er ist bekannt für Reportagen aus Krisen- und Kriegsgebieten wie dem Sudan. Auch die Natur hat ihn immer wieder fasziniert, die Wüsten genauso wie die mythischen Baobabs. Auch die Sahara kennt er gut, hier hat er schon häufig gearbeitet. „Aber Ennedi – das ist der schönste Teil“, sagt er. Auf seiner Reise durch das Gebirge im Tschad verbrachte er eine Woche im Schatten der Felswände, unter einem Himmel ohne Wolken. Während dieser Zeit schlief er im Freien, ohne Zelt, mit lokalen Begleitern auf Nomadenbetten. Eine dünne Matratze, ein Schlafsack. Drum herum jene Art von Dunkelheit, die man nur an Orten findet, wo es keinen Strom gibt, keine Straßenlaternen. Wo kaum ein Laut zu hören ist, keine Motoren, kein Handy, das sich meldet. Empfang gibt es hier nicht. Da ist nur das Geräusch des Windes zwischen den Felsen. Manchmal auch ein einsamer Vogel oder das entfernte Brummen eines Kamels. Oder Stimmen, die leise in der Sprache des Volkes der Goran reden.
Als sich die Sahara vor einigen Jahrtausenden ausbreitete und das Land immer trockener wurde, zogen sich Menschen und Tiere in geschützte Winkel zurück. In den Schluchten und Tälern des Ennedi-Gebirges, wo Quellen bis heute Leben ermöglichen, fanden sie Zuflucht. Und hier, weit weg von jeder großen Stadt, leben ihre Nachfahren, abgeschieden, fast fernab der Zeit, mitten in der Wüste. Mit 40.000 Quadratkilometern ist das Sandsteinplateau des Ennedi-Gebirges fast so groß wie die Schweiz – und doch zum größten Teil unerforscht.
Schatz in der Sahara
Der 26-jährige Archäologe Mahamat Ahmat Oumar will das ändern, vor allem will er den Schatz von Ennedi retten: die Höhlenmalereien. Und Pascal Maitre, so erzählt er selbst, hatte es sich bei der gemeinsamen Reise im November 2024 zur Mission gemacht, Oumar dabei zu begleiten. Die mythischen Berge festzuhalten. Die Oasen. Wasser, wo man es nie vermuten würde. Die roten Felsen. Und die Malereien in den Höhlen. Kleine Figuren sind dort an die Wände gemalt, manche tanzen, andere scheinen mit Stößel und Mörser zu arbeiten. Diese Bilder erzählen vom Leben vor Beginn unserer Zeitrechnung. Davon, wie die Menschen damals Feste feierten, ihr Essen zubereiteten, wie sie begannen, Kamele zu züchten.
Insgesamt haben Oumar und sein Team 1383 Fundstellen registriert, sie vermuten noch Tausende mehr in den menschenverlassenen Schluchten und Höhlen von Ennedi. Die Malereien stammen aus mehreren Epochen: aus der archaischen Zeit der Jäger und Sammler, der Zeit der Hirten mit den ersten Viehzüchtern, später der Zeit des Nomadentums. Einige Werke sind mehr als 8000 Jahre alt. Doch die Zeit drängt. Die Nomaden, die noch heute durch das Gebirge ziehen, helfen den Archäologen zwar manchmal, neue Malereien zu finden. Häufig aber entzünden sie auch Feuer in den Höhlen – und der Ruß legt sich dann über die Farben. Wissenschaftler wie Oumar hoffen, in den kommenden 20 Jahren alle Malereien im gesamten Ennedi-Gebiet erfasst zu haben und auf diesem Weg für die Nachwelt zu erhalten. Dabei entdecken sie auch immer neue Malereien.