An vielen Orten im Land wurde der Opfer des Nationalsozialismus gedacht und ein „Nie Wieder“ gefordert. Die zentrale Feier des Landtages fand in Flensburg statt. An einem nicht unumstrittenen Ort.

Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat im Rahmen einer Gedenkveranstaltung in der Marineschule in Flensburg der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Vor genau 80 Jahren, am 27. Januar 1945, befreite die Rote Arme das Vernichtungslager Auschwitz, erinnerte Landtagspräsidentin Kristina Herbst (CDU). Was sie sahen, sei jenseits der Vorstellungskraft, was Menschen, Menschen antun können. 

Das Ausmaß der Verbrechen sei schwer zu begreifen. „Hier reicht kein einzelner Ort, um zu verstehen, was damals passierte und um der Opfer zu gedenken.“ Herbst mahnte, „nie wieder darf so etwas geschehen“. 

Das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau steht symbolhaft für den Holocaust und das Grauen des Nationalsozialismus. Rund 1,1 Millionen Menschen starben hier zwischen 1940 und 1945, die meisten von ihnen waren Juden. Sie wurden erschossen, in Gaskammern ermordet oder starben an Hunger und Krankheiten.

Kritik an Wahl des Ortes – Marineschule sei Täterort

Die Wahl des Ortes für die Gedenkveranstaltung wurde im Vorfeld von Politikern, aber auch Historikern und Gedenkstätten kritisiert. Für sie ist es nicht nachvollziehbar, dass das Gedenken an einem ausgewiesenen Täterort praktiziert werden soll.

Denn mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 endete zwar der Zweite Weltkrieg in Europa, die letzte Regierung des NS-Reichs wurde aber erst 15 Tage später im „Sonderbereich Flensburg-Mürwik“ aufgelöst. Am 23. Mai 1945 wurden alle rund 420 Mitglieder der „Reichsregierung Dönitz“ von britischen Soldaten verhaftet. Sie steht nach Angaben des Landtages symbolisch für die sogenannten Endzeitverbrechen in den letzten Monaten des Krieges. 

Landtagspräsidentin verteidigt Ortswahl

Herbst verteidigte die Wahl. „Gedenkstätten sind und bleiben die entscheidenden Orte unseres Gedenkens und unserer Erinnerung.“ Aber es gebe auch andere wichtige Orte, die mit Blick auf die deutsche Geschichte keine einfachen Orte seien. Dazu gehöre auch die Marineschule. „Hier wurde in äußerster Konsequenz der Krieg verlängert.“ Hier sei aber auch der Ort, wo 1956 der Aufbau der nachkriegsdeutschen Marine begann, die jedem Angriffskrieg abgeschworen habe. 

Marineschulkommandeur: Sind uns der Verantwortung bewusst 

Der Kommandeur der Marineschule, Kapitän zur See, Jens Grimm, sagte, es bedarf einer beständigen Auseinandersetzung mit dem dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte. Die Diskussion im Vorfeld der Veranstaltung habe gezeigt, dass die Ortswahl nicht unumstritten ist. „Wir sind uns dieser besonderen Verantwortung bewusst.“

Das Bekenntnis zum „Nie wieder“ bedeute auch ein „wehret den Anfängen“. Es gelte „für uns als Gesellschaft“, Zivilcourage zu zeigen. „Wir sind alle gefordert.“ Der öffentliche Diskurs sei zunehmend von Intoleranz und Polarisierung geprägt. „Antisemitismus begegnet uns wieder offen und auf unerträgliche Weise.“ Dem müsse aktiv entgegengetreten werden. Die Angehörigen der Marineschule stehen etwa im Austausch mit der jüdischen Gemeinde Flensburg, Kadetten säuberten beispielsweise Stolpersteine und setzten sich mit den Menschen, den Schicksalen, die hinter den Steinen stehen, auseinander. 

Auch anderswo im Land Gedenkveranstaltungen

Ministerpräsident Daniel Günther rief dazu auf, sich entschieden gegen Antisemitismus, Rassismus, Hetze und Hass einzusetzen. „Der heutige Gedenktag und die Erinnerung an die Befreiung von Auschwitz muss Mahnung an jede und jeden einzelnen von uns sein, wachsam zu bleiben und den Anfängen vehement und in aller Deutlichkeit entgegenzutreten“, teilte der CDU-Politiker mit.

Nicht nur in Flensburg, auch an vielen anderen Orten im Land gab es Gedenkveranstaltungen. In Kiel kamen nach Angaben der Polizei 4.000 bis 5.000 Menschen unter dem Motto „Nie wieder ist jetzt“ zusammen. Dem Aufruf des Theaters Kiel folgend bildeten sie eine Kette um den Rathausplatz und das Opernhaus herum.